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Vor der Bundestagswahl: Besuch im Wahlkreis Steglitz-ZehlendorfBürgerlicher Straßenkampf

In Steglitz-Zehlendorf treten ein Christdemokrat und ein Sozialdemokrat an, die sich zum Verwechseln ähnlich sind

Im Wahlkampf am Ball: Klaus-Uwe Benneter und ein fast schon vergessener Mann im Hintergrund Bild: dpa

Der Mann möchte keine orange Tüte. Er möchte auch keinen Kugelschreiber, keine Cola und kein Feuerzeug. Und auch keinen Bundesligaspielplan. Von Karl-Georg Wellmann und seiner Partei, der CDU, möchte der Mann gar nichts wissen. "Euer Orange ist doch fast schon ein FDP-Gelb", schimpft er und geht weiter über den Wochenmarkt vor dem Rathaus Lankwitz.

Dabei will sich Wellmann, der schwarze Direktkandidat in Steglitz-Zehlendorf, eigentlich einen ganz anderen Anstrich geben: grün. So möchte er den Wahlkreis gegen den SPD-Kandidaten Klaus Uwe Benneter gewinnen, wie schon 2005. Als einziger Berliner CDU-Abgeordneter wurde er in jenem Jahr direkt gewählt - wenig überraschend in dem Bezirk, der als konservativster der Stadt gilt und zugleich der reichste ist. Der Wahlausgang war jedoch äußerst knapp: Wellmann bekam nur 2.337 Stimmen mehr als Benneter.

Die Wahl in Berlin

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Neben den aussichtsreichsten Bewerbern Klaus Uwe Benneter (SPD) und Karl-Georg Wellmann (CDU) kandidieren in Steglitz-Zehlendorf Benedikt Lux (Grüne), der im Abgeordnetenhaus sitzt, Rolf Breidenbach (FDP), der im brandenburgischen Innenministerium arbeitet, und für die Linkspartei der Schauspieler Olaf Ostertag.

Bei der Wahl 2005 gewann Wellmann für die CDU mit 40 Prozent der Erststimmen knapp vor Benneter, der 2001 das Direktmandat geholt hatte, nun aber nur auf 38,7 Prozent kam. Es folgten Grüne (10), FDP (5,9) und Linke (3,9).

Die nächste Folge (Friedrichshain-Kreuzberg) erscheint am Mittwoch.

Dabei hatte - und hat - Steglitz-Zehlendorf eigentlich gar keine Wahl: Der Abgeordnete des Bezirks wird wieder ein Anwalt sein, um die 60, der in den 70ern an der Spitze der Jugendorganisation seiner Partei gestanden und sich in den 80ern von der Politik abgewandt hat, bis seine Partei ihn wieder zurückholte. Denn das alles ist Benneter und Wellmann gemein. Im Wahlkampf auf der Straße allerdings unterscheiden sie sich.

Karl-Georg Wellmann hat am Stand ein Dutzend Helfer und noch mehr Material. Kugelschreiber, Post-its, Flyer, ein Quiz - alles in einer orangefarbenen CDU-Plastiktüte. Groß ist er, grau meliert, trägt ein blaues Polo. Der Bus stoppt an der Haltestelle Lankwitz und bringt den Wochenmarkthändlern die ersten Kunden an diesem Montagmorgen. Wellmann geht auf die Menschen zu und sagt nicht: "Guten Tag", sondern: "Informationen über die CDU?" Dann drückt er den Passanten eine Tüte in die Hand. Um ins Gespräch zu kommen, isst er mit ihnen um halb elf eine Currywurst.

Das Hauptargument der Wellmann-Truppe ist ebenfalls kulinarisch: schwarzes Etikett, mit einem kleinen grünen Tupfer - Bio-Cola als Symbol dafür, dass CDU und Grüne seit 2006 in der Bezirksvertretung quasi koalieren. "Wir passen zusammen", sagt Wellmann. Er sieht auch im Bund keine unversöhnlichen Positionen. Atomkraft? "Da wird doch nur noch über die Länge der verbleibenden Laufzeit gestritten. Kernkraft ist keine Zukunftstechnologie." Migration? "Da haben wir voneinander gelernt. Auch die Grünen bestehen ja nicht mehr darauf, dass jeder alles darf." Mentalitätsunterschiede? "Trittin sitzt im blauen Zweireiher im Bundestag und will Außenminister werden. Der ist doch längst bürgerlich."

Das politische Handwerk lernte Wellmann Anfang der 80er als persönlicher Referent des Gesundheits- und Sozialsenators Ulf Fink. Nach vier Jahren sei ihm dann ein hoher Beamtenposten in der Verwaltung angeboten worden, doch er habe lieber in die freie Wirtschaft gewollt, erzählt Wellmann. Für eine Kanzlei betreut er immer noch Bauprojekte in Millionenhöhe. Erst 2001 wird er zurück in die Politik gerufen, es folgten vier Jahre im Abgeordnetenhaus. 2005 schaffte er den Sprung in den Bundestag.

Viele Passanten bedanken sich nur kurz für die CDU-Geschenke und wünschen Wellmann Glück. Eine blondierte, ältere Frau mit Goldschmuck und Mauritius-Bräune begrüßt ihn überschwänglich: "Wir lassen uns nicht unterkriegen", und herzt den Kandidaten. Grundsatzdiskussionen bleiben an diesem Vormittag aus. Deswegen den Wahlkampf als inhaltsschwach zu kritisieren will Wellmann nicht gelten lassen: "Wir sind die Partei mit Inhalt", sagt er - und zeigt auf einen gefüllten orange Beutel.

Der Stand der SPD ist anders. Klein, bescheiden, teilweise selbst gebastelte Plakate, auf die der Ortsverein Porträts berühmter Sozialdemokraten geklebt hat - neben das Bild von Klaus Uwe Benneter. An einem Samstagmorgen an der S-Bahn-Station Lichterfelde-West macht der 62-Jährige Wahlkampf ohne modernen Schnickschnack, ohne Cola, ohne Luftballons und ohne Bundesligaplaner. Stattdessen verteilen eine Handvoll SPDler Flyer und eine selbst gedruckte Zeitung. Am Stand riecht es nach der nahen Douglas-Parfümerie.

Benneter ist gerade aus dem Auto gestiegen, da kommt schon der erste Passant auf ihn zu und will seine Probleme loswerden: Bei der Zufahrt zu einem Discounter ist seit einem Jahr die Straße falsch markiert; im Park Schwarzer Grund wühlen Wildschweine; bei der Augenärztin ist das Wartezimmer immer so voll. Das solle Benneter bitte alles lösen. Der notiert sich den Straßennamen des Discounters, verweist auf die Jäger des Bezirks und rät, den Augenarzt zu wechseln. Er sei auch nur Kassenpatient, könne aber einen Arzt auf dem Kudamm empfehlen.

Benneter ist ein typischer Sozialdemokrat. Der kleine Mann kann hier seine Sorgen abladen, um die kümmert sich dann der Sozialstaat, synonym: die SPD. Doch dieses 70er-Jahre-Modell funktioniert nicht mehr, auch nicht für die Partei. Der Mann, der bei Benneter seinen Ärger abgeladen hat, wird nicht SPD wählen. Er ist sauer und findet die Welt zu schlecht, in der die Sozialdemokraten regieren. "Natürlich gibts Ungerechtigkeiten, da arbeiten wir seit 35 Jahren dran", sagt Benneter. "Früher dachte ich auch, das könnte man alles von heute auf morgen lösen." Wenn er redet, bewegt er seine großen Hände vor der Brust. Sie schaufeln Argumente auf die Wochenendbummler, die ihm auf dem Bürgersteig entgegenkommen.

Früher, als Benneter noch alles sofort lösen wollte, war er Vorsitzender der Jusos und Vertreter des ganz linken Flügels. Stichwort: staatsmonopolistische Kapitalismustheorie. Mit diesen marxistisch-leninistischen Positionen blieb er, 1977 gewählt, nicht mal ein Jahr auf dem Posten, dann wurde er von Gerhard Schröder abgelöst. Zwei Jahrzehnte später holte Schröder als Kanzler den "roten Benni" zurück in die Politik. 1999 wurde Benneter ins Abgeordnetenhaus gewählt, bei der Bundestagswahl 2002 holte er in Steglitz-Zehlendorf das Direktmandat. Kurz danach wurde er Generalsekretär seiner Partei. "Da hatte ich die nette Aufgabe, die Agenda 2010 unter die Menschen zu bringen", sagt Benneter, und es klingt wie ein Seufzen. Auch Generalsekretär blieb er nur ein Jahr.

Dass es 2005 knapp nicht zum Direktmandat gereicht hat, daran sind auch die Grünen schuld, glaubt Benneter: "Die grünen Erststimmen waren für den Papierkorb." Auch in diesem Jahr wird es keinen grünen Aufruf geben, die Erststimme taktisch zu nutzen. Also muss er hoffen, dass die Leute, denen er zuhört, ihn doch wählen. Und dass die CDU nicht zu viele Tüten verteilt.

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