: Vor dem Urteil gegen Demjanjuk
■ Ausführliche Beweiswürdigung vor dem Urteilsspruch / Experten erwarten einen Schuldspruch / Strafmaß wird erst nach erneuten Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung festgelegt
Jerusalem (ap) - Mit einer sehr ausführlichen öffentlichen Beweiswürdigung hat am Montag vormittag in Israel die letzte Phase im zweiten Prozeß um den nationalsozialistischen Massenmord begonnen: Das dreiköpfige Gericht in Jerusalem verlas ein 450 Seiten umfassendes Schriftstück, in dem die Ergebnisse der 14monatigen Hauptverhandlung gegen den 68jährigen John Demjanjuk zusammengetragen wurden. Dem gebürtigen Ukrainer, der im Vernichtungslager Treblinka am Holocaust mitgewirkt haben soll, droht nach einem Schuld spruch die Todesstrafe, das Strafmaß wird allerdings erst später verkündet. Unklar war zunächst, ob das Gericht noch am Montag oder erst am Dienstag die Frage nach Schuld oder Unschuld beantworten würde. Nachdem er dreieinhalb Stunden lang die Beweiswürdigung verlesen hatte, unterbrach der Vorsitzende Richter Dov Levine die Sitzung, die am Nachmittag fortgesetzt werden sollte. Der israelische Rundfunk zitierte nicht näher bezeichnete Beobachter bei Gericht, die andeuteten, die drei Berufsrichter würden wohl einen Schuldspruch im Fall Demjanjuk verkünden. Laut Anklage ist der Beschuldigte, der nach dem Kriege in die USA auswanderte, in Cleveland als Automobilarbeiter lebte und im Februar 1986 an Israel ausgeliefert wurde, der Mann, der unter dem namen „Iwan der Schreckliche“ im Todeslager Treblinka eine maßgebliche Rolle bei der Ermordung von Hunderttausenden Menschen, zumeist Juden, gespielt hat. Demjanjuk selbst, der während des Krieges als sowjetischer Soldat in deutsche Gefangenschaft geriet, sieht sich dagegen als Opfer einer Personenverwechslung.
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