Vor allem Fußgänger leben gefährlich: Zahl der Verkehrstoten gestiegen
Die Zahl der Verkehrstoten ist 2011 deutlich gestiegen. Mehr als die Hälfte der Opfer sind Fußgänger. Senat will Plakate für mehr Rücksicht kleben.
Ein lebensgefährlich verletzter Fußgänger und ein flüchtiger Autofahrer: In Sachen Verkehr hat das neue Jahr in Berlin ganz nach dem Muster von 2011 begonnen. An Neujahr wollte ein 50-Jähriger in Kreuzberg die Skalitzer Straße überqueren, wurde dabei von einem Auto erfasst und deshalb mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht; der Fahrer floh unerkannt.
Fußgänger leben gefährlich in Berlin, das zeigt die Statistik der Verkehrstoten für 2011: 54 Opfer zählte die Polizei, 29 davon waren zu Fuß unterwegs. Neben jeweils elf Motorrad- und Radfahrern starben drei Auto-Insassen auf Berlins Straßen. Die Zahl könnte sich weiter erhöhen, denn zwei Ende des Jahres Verunglückte ringen noch um ihr Leben.
2010 war die Zahl der Verkehrstoten in Berlin auf 44 gesunken - und damit so niedrig wie nie ausgefallen. Worauf der neuerliche Anstieg zurückzuführen ist, dazu will die Berliner Polizei nichts sagen, bevor die endgültigen Zahlen vorliegen. Ein Sprecher des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), zu dem sich Ministerien und Interessensverbände zusammengeschlossen haben, vermutet hinter dem im Bundestrend liegenden Berliner Anstieg klimatische Gründe: 2010 habe es insgesamt mehr Schnee und Frost gegeben, weshalb weniger Menschen zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs gewesen seien. Das sei eine mögliche Erklärung für die 2010 bemerkenswert niedrige Zahl von Todesopfern, während der Anstieg 2011 unter anderem auf den wirtschaftlichen Aufschwung zurückgeführt werden könnte: "Wenn es mehr zu tun gibt, müssen die Menschen auch mehr Wege machen", spekuliert der DRV-Sprecher. Die genauen Ursachen der vorliegenden Zahlen herauszufinden, sei aber "sehr schwer".
Kein Wunder, sagt der Geschäftsführer des Fachverbands Fußverkehr Bernd Herzog-Schlagk: "Es mangelt an einer vernünftigen Registrierung der Unfallursachen, wenn Fußgänger betroffen sind." Als Beispiel nennt Herzog-Schlagk die Grünpfeile, die es Rechtsabbiegern erlauben, eine Ampelschaltung zu ignorieren: "Übersieht ein Fahrer beim Abbiegen einen Fußgänger, steht im Protokoll der Polizei trotzdem nichts vom Grünpfeil als entscheidendem Faktor." Dabei bringt dieses Zeichen zum Ausdruck, was verkehrspolitische Prämisse sei: "Die Flüssigkeit des Autoverkehrs hat oft Vorrang", sagt Herzog-Schlagk. Und Maßnahmen, die Verbesserungen für Fußgänger bringen würden, würde diesen Fluss stören. Er fordert, die Bußgelder für Parken auf Fuß- und Radwegen zu erhöhen und Tempo 30 innerorts statt zur Ausnahme zur Regel zu machen. Im letzten Wahlkampf indes hatten die Berliner Grünen mantraartig wiederholt, dass sie sich diese Forderung nicht zueigen machen wollen. "Da haben Politiker Angst um Wählerstimmen", sagt Herzog-Schlagk. "Obwohl solche Maßnahmen der größten Gruppe an Verkehrsteilnehmern zu Gute kommen: den Fußgängern."
Der für Verkehrspolitik zuständige Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller (SPD), hält es zu Beginn des Jahres lieber mit den Motorisierten: "Gute Autofahrer" seien die Berliner, sagte Müller der Berliner Zeitung. Und dass ihn am meisten die rücksichtslosen Radfahrer ärgerten. Diese sollen nun Hauptadressat einer für 2012 vorgesehenen Kommunikationskampagne für mehr Rücksicht im Straßenverkehr sein. Das Geld für Plakate und anderes Werbematerial kommt vom Bund.
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