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■ Vor 20 Jahren begann eine neue Ära unter der DiscokugelFly, Robin, Fly – Silver Convention forever

München, Ende 1974. Der Texter Michael Kunze (bis dahin tätig für Maffay und Valente) und der Komponist Sylvester Levay lassen das Studioprojekt Silver Bird Convention auf die hiesige Musikwelt los. Viele Geigen, wenig Gesang. Sie ahnen dabei nicht, daß sie Musikgeschichte schreiben werden. Aber schon nach wenigen Auftritten unter den Discokugeln der Musikmesse in Cannes (Midem) kann das Gespann Kunze/Levay mit Plattenverträgen für 47 Länder im Koffer zurück in die Heimat München reisen.

Aus dem Studioprojekt Silver Bird Convention, in dessen Chor neben den späteren Hauptakteurinnen auch Disco-Damen wie Donna Summer und Roberta Kelly mitträllerten, wird nach anhaltendem Erfolg die eigentliche Formation Silver Convention zusammengestellt. So kann die Gruppe auf internationaler Bühne auch live präsentiert werden. Die drei Glücklichen sind Linda G. Thompson (eigentlich Sieglinde Uebelherr), Ramona Wulf (Ramona Kraft) und Penny McLean (Gertrude Wirschinger, geb. Münzer). Silver Convention wird weltweit 47 Millionen Tonträger verkaufen.

Linda hat zu diesem Zeitpunkt wohl die längste Bühnenerfahrung. Schon als 16jährige nahm sie an verschiedenen Talentwettbewerben unter dem Namen Linda Uebelherr teil. Von diesen Erfolgen motiviert, gründete sie zusammen mit Gitta Walther die Girl- Friends, sang bei den Conely-Singers (der späteren Love Generation) und den Les Humphries Singers. Mit dem begehrten Studioschlagzeuger Keith Forsey hatte sie unter dem Namen Me and You mit der deutschen Version von „Rock the Boat“ (Nimm dein Boot) einen kleinen Hit.

Auch Ramona hüpft schon in jungen Jahren mit Miniröckchen und dicken Zöpfen (als damals exotische Erscheinung) durch die ZDF-Hitparade. Anfang der Siebziger spielt sie neben Ilja Richter in dem Kinofilm „Tante Trude aus Buxtehude“ eine recht lustige Nebenrolle.

„Lady Bump“ und die Erfindung des „Aerobic“

Penny McLean sammelt ihre Erfahrungen als Sängerin in verschiedenen Bands (unter anderem die Penny-Box). Ende der Sechziger nimmt sie unter dem Namen Barbie Münzer die Hymne aller Chiquita-Freunde, den „Bananendampferkapitän“, auf – ein Achtungserfolg. 1972 bringt sie zusammen mit einem jungen Mann unter dem Pseudonym „Barbara und Helmut“ den Titel „Hideaway“ in englischer und deutscher Sprache („Geh mit mir“) auf. Leider wurde der von der Mungo-Jerry-Truppe geschriebene Titel kein großer Hit. Erst mit „Lady Bump“ (auch von Kunze) etabliert sich die Österreicherin und setzt mit dem dazugehörigen Tanz einen Meilenstein in der Showgeschichte.

In der Talentschmiede von Grand-Prix-Eminenz Ralph Siegel werden Penny, Ramona und Linda nun in viel zu enge glitzernde Kostüme gezwängt und zu tolpatschigen Bewegungen gezwungen, eine Vorform des „Aerobic“. Doch trotz dieses Outfits gelingt es Silver Convention mit „Fly, Robin, Fly“ am 13. Dezember 1975 als erster deutscher Gruppe, in den USA auf Platz 1 zu klettern. „Get Up and Boogie“ wird 1976 ebenfalls ein Millionenseller – Platz 1 in den USA, Platz 7 in England. Silver Convention werden zu Vorreiterinnen der nachfolgenden Discowelle mit Boney M., Baccara, Amanda Lear. Der Philadelphia- Sound ist tot, die Three Degrees sind abgemeldet. Später wird sogar Barbra Streisand mit den Bee Gees auf den Trend einsteigen.

Mit dem Erfolg in den USA und auch in Japan will man das Trio nun „internationaler“ gestalten – sprich: auf den US-amerikanischen Markt zuschneiden. So muß im Jahre 1977 Linda G. Thompson daran glauben, sie wird durch die schwarze Amerikanerin Rhonda Heath ersetzt. Doch die Hits bleiben aus.

Das Leben aus Koffern, das Touren um den ganzen Erdball und die ständigen Plattenaufnahmen erschüttern Silver Convention weiter. Mit einem Auftritt als Vertreterinnen Deutschlands beim „Grand Prix Eurovision“ soll dem Karriereknick entgegengewirkt werden. Mit „Telegramm“ erreicht das Trio Platz 8. Doch auch dies kann – genauso wie der millionenschwere Exklusivvertrag mit dem Kosmetikkonzern Margaret Astor – den drei Discofetischistinnen kein künstliches Lächeln mehr ins Gesicht zaubern. Ende 1977 verläßt Penny McLean Silver Convention. Die bereits als Solistin erfolgreiche Engländerin Zenda Jacks kommt für sie. Es hilft nichts mehr. Die Lustlosigkeit der Produzenten und das Verschwappen der Discowelle bringen schließlich das Aus.

Ein Solo-Flop und diverse Hochzeitsfeierlichkeiten

Zurück bleiben enttäuschte und deprimierte Disco-Diven, die ihr vergangenes Schlagerleben nun auf unterschiedliche Art und Weise in psychoanalytischer Eigenregie aufzuarbeiten versuchen: Zenda Jacks heiratet 1978 einen mexikanischen Millionär und verabschiedet sich ganz von der Musik. Ramona versucht noch ein paar Jahre, als Sängerin an alte Solo-Hits anzuknüpfen, doch ohne nennenswerten Erfolg. Ihre 1988 erschienene LP „Mood To Mood“ wird ein Flop und somit letztes musikalisches Lebenszeichen. Heute ist sie in zweiter Ehe mit einem Arzt verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie lebt in Berlin.

Rhonda Heath versucht ihr Glück zunächst ebenfalls als Solistin (immerhin erscheinen noch zwei LPs von ihr) – leider mit wenig Erfolg. Ihr letzter musikalischer Einsatz war das Gastspiel als Keyboarderin der Gruppe MeKaDo, die Deutschland 1992 beim Grand Prix vertreten durfte. Heute lebt sie verheiratet in München und ist Mutter eines Sohnes.

Linda Uebelherr hatte nach dem Ausscheiden der Gruppe noch größere Soloerfolge, so daß selbst König Hussein von Jordanien sie zu Konzerten in sein Land geholt hat. Anschließend gründete sie mit drei weiteren Damen die Gruppe „The Hornettes“ und feierte mit dieser Formation beachtliche Triumphe. Heute ist sie etablierte Innenarchitektin und Stylistin und lebt in München.

Penny McLean hatte nach dem Weggang von Silver Convention noch einige Hits („Dance, Bunny Honey, Dance“). Heute ist sie auflagenstarke Buchautorin im esoterischen Bereich geworden („Adeline und die vierte Dimension“). In ihren Vorträgen und Seminaren bringt sie die Menschen mit ihren Schutzgeistern zusammen („Alltag mit Schutzgeistern“). Neben der esoterischen Fernsehreihe „PSI“ (als Co-Moderatorin) ist sie auch als Talkshow-Gast auf dem Schirm präsent. Sie hat so rote Haare wie eh und je, lebt in München, verbringt aber einen großen Teil ihrer Zeit in Berlin.

Michael Kunze, der bis zum Schluß die Silver Convention produzierte, verhalf mit seinen Texten nebenbei solchen Showgrößen wie Gitte Haenning, Katja Ebstein und Udo Jürgens auf die vorderen Hitparadenplätze. Zusammen mit Sylvester Levay schrieb er das seit 1992 in Wien laufende Musical „Elisabeth“.

Seit 1978 gibt es die Gruppe Silver Convention offiziell nicht mehr. „Love in a Sleeper“ lautete der vielsagende Titel der letzten Platte. Aber noch kommen immer wieder CD-Hitkopplungen auf den Markt, die die Gruppe für die Nachwelt unsterblich werden lassen. Stefan Adler

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