Von der Politik ruiniert : KOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT
Die Meldungen des Tages wollen nicht recht zusammenpassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigt in ihrer Regierungserklärung die „europäische Vorreiterrolle beim Klimaschutz“ und drängt auf ehrgeizigere Ziele bei der Reduktion schädlicher Treibhausgase. Zur gleichen Zeit steht ein zentrales Instrument der europäischen Klimapolitik vor dem Scheitern: Der Handel mit CO2-Zertifikaten funktioniert nicht. Weil das Recht, eine Tonne Kohlendioxid auszustoßen, an der Strombörse mittlerweile weniger als einen Euro kostet, haben Unternehmen keinerlei Anreiz, die klimaschädlichen Gase zu reduzieren. Merkels Anspruch, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, ist von der Realität weit entfernt.
Dass die Kanzlerin nun fordert, man könne dem Klimawandel „nicht tatenlos zusehen“, und erklärt, es sei „Zeit zum Handeln“, ist völlig richtig. Wie gern würde man ihren Worten glauben. Doch das erste Drittel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gibt leider zum Optimismus nicht viel Anlass. Merkels Rolle bestand bisher vor allem darin, zu bremsen: Sie hat die ehrgeizigen Kommissionsziele zum CO2-Ausstoß von Autos verwässert, gegen ein Tempolimit gekämpft und lange versucht, eine größere Menge von Verschmutzungsrechten für die deutsche Industrie durchzusetzen.
Genau hier liegt das Problem für den Emissionshandel. Im Prinzip könnte er ein wirksames Instrument sein. Und als weltweite Lösung ist er allemal das realistischste. Doch die Politik ist derzeit dabei, den Ruf dieses marktwirtschaftlichen Umweltschutzmechanismus dauerhaft zu ruinieren. Dass die EU im ersten Anlauf deutlich zu viele Zertifikate ausgegeben hat, so dass der Preis jetzt abstürzt, kann mit etwas gutem Willen noch als Anfängerfehler gesehen werden. Dass dieser Fehler jetzt aber für die nächste Handelsperiode, die 2008 beginnt, wiederholt wird und erneut zu hohe Mengen bewilligt werden, ist schwer zu begreifen.
Daraus folgt: Wenn Merkel die wohlklingenden Worte ihrer Regierungserklärung ernst meint, muss sie ihre Politik im Rest der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ändern – und zwar radikal ins Gegenteil. Beim EU-Gipfel nächste Woche hat sie die letzte Chance, ihre Rolle als Bremserin zu verlassen.