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Archiv-Artikel

Von der Klassik über Klezmer zum Pop: Sophie Solomon

Eines späten Nachmittags nickte der Talentscout einer großen Klassikplattenfirma an seinem staubigen Schreibtisch ein und träumte von einer jungen Geigerin. Gut sah sie aus, trug das Blondhaar in flott frisierten Strähnchen, gab freche Interviews und konnte auch noch prima Geige spielen. Als er erwachte, versuchte er, Sophie Solomon zu verpflichten. Aber die sagte ab: Klassik sei ihr lange schon zu einschränkend. Lieber trat sie zusammen mit den Brachialrockern von Killing Joke auf, spielte mit Socalled eine Hiphop-Platte ein, legte ein Jahr lang in Moskau House-Platten auf, gab das Aushängeschild der digitalen Klezmer-Combo Oi Va Voi und den Gaststar bei Heather Nova oder Galliano. Berührungsängste sucht man auch auf „Poison Sweet Madeira“ (Decca/Universal Classics), dem ersten Soloalbum der 27-jährigen Londonerin, die als Kind von Yehudi Menuhin gefördert wurde, vergeblich: KT Tunstall singt ihr eine Ballade, Ralph Fiennes spricht ihr ein Gedicht, dann jagt sie ihre Violine durch Klezmer-Harmonien und russische Folklore, lässt sie zu elektronischen Beats tanzen, einen Tango aufs Parkett schieben oder Dvořák zitieren. Die Welt ist Solomon eine Mottenkiste, die es zu plündern gilt. THOMAS WINKLER