■ Von Rentnern und Renteneinzahlern: Angst vor der Strafe des Wählers
Erinnern Sie sich noch? „Eins ist sicher, die Rente.“ Mit diesem Spruch ging Norbert Blüm schon vor Jahr und Tag hausieren. Die Renten seien immer noch sicher, sagt der Bundesarbeitsminister noch heute und mag damit für die nächsten zehn Jahre sogar recht haben. Zwar weiß momentan niemand, wie in 30 Jahren die immer kleinere Zahl von Rentenbeitragseinzahlern ein immer größeres Pensionistenheer finanzieren soll. Doch dieses Problem anzugehen hieße, neue Konzepte zu diskutieren, und solche sind von dieser Regierung nicht mehr zu erwarten. Die aktuellen Löcher sind ja auch so schon groß genug: Die Rentenbeiträge sollen nicht weiter steigen, um die Lohnnebenkosten nicht zu erhöhen, sagt die Regierung. Die Rentenbeiträge müssen weiter steigen, sonst entsteht ein Riesenloch in der Kasse, sagt die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Was tun?
Seit Jahren werden die Rentenkassen von Leistungen belastet, die mit ihrem eigentlichen Zweck nichts zu tun haben. Da sind etwa die Milliarden für die Rentner aus der DDR. Da sind die Zahlungen für die Kindererziehung, für die Ausfallzeiten für den Kriegsdienst, für Ausbildungsjahre etc. pp. Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, diesem Personenkreis das wohlverdiente Geld zu nehmen. Aber es ist nicht einzusehen, wieso diejenigen, die in eine Solidarversicherung einzahlen, diejenigen mit finanzieren sollen, die das – aus welchen Gründen auch immer – nicht getan haben. Denn dahinter verbirgt sich die eigentliche Ungerechtigkeit: Wer nichts in die Rentenkasse zahlt – also etwa Freiberufler und Beamte –, kann sich die Hände reiben, denn er wird an der Finanzierung dieser versicherungsfremden Leistungen überhaupt nicht beteiligt. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um ein paar Milliönchen, sondern allein bei der Rentenversicherung um satte 33 Milliarden Mark im Jahr.
Das hat auch die SPD bemerkt. Und so schlägt sie vor, die Rentenkasse von versicherungsfremden Leistungen zu befreien. Die Lösung ist bestechend: Die Rentenkasse wäre gerettet, und zugleich sänken die Lohnnebenkosten auf ein Maß, das Unternehmerherzen höher schlagen läßt. Leider sagt die SPD aber nicht, wo das fehlende Geld dann herkommen soll. Tatsächlich ginge das wohl nur über eine Steuererhöhung. Wer aber so was fordert, wird mit mindestens fünf Prozent Wählerabwanderung bestraft. Doch was wäre an einer Erhöhung der Mehrwertsteuer denn so schlimm, wenn für den größten Teil der Bevölkerung gleichzeitig die Sozialversicherungsbeiträge sinken würden? Daß die Bundesregierung eine solche Lösung nicht vorantreibt, ist logisch, denn das würde die wohlhabenderen Schichten zur Kasse bitten. Daß die SPD dies nicht tut, ist der Angst vor der eigenen Courage zu verdanken. Klaus Hillenbrand
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