: Von Lichtspielen und Lichtgestalten
Gott sei Dank! Nach einer gähnend langweiligen Meisterschaft und völlig vermasseltem Europacup-Frühling gibt‘s im B-Movie einen Monat lang das runde Leder in Dokumentationen, Kurz- und Langspielfilmen auf der Leinwand
Fußball und Kino haben eigentlich vieles gemeinsam: Beides existiert seit etwas mehr als 100 Jahren, beides dauert in der Regel etwas mehr als 90 Minuten. Und beides gilt inzwischen als kulturübergreifendes Massenphänomen. Dennoch schien es bis vor kurzem noch einen unüberwindbaren Gegensatz zwischen den beiden zu geben: zwischen kaffeeschlürfenden Cineasten und der grölenden Fankurve, zwischen dem Dauerkartenbesitzer und einer Freundin, die am Spieltag lieber ins Multiplex ging. Kein Wunder also, dass es bisher nicht allzu viele Filme über Fußball gibt.
Dieser äußerst seltenen Spezies widmet sich das B-Movie in diesem Monat mit der Reihe „Drei Ecken: Elfer“. Die Auswahl von Dokumentar-, Kurz- und Spielfilmen zur wichtigsten Nebensache der Welt richtet sich an Kicker-Manager wie Straßenfußballer, aber auch an Menschen, die bis vor kurzem noch die Trikotwerbung des HSV für die einzige Verbindung von Spieltag und Spielfilm hielten. Leidgeprüften St.Pauli-Fans, die zur Zeit Woche für Woche die Leistungen ihrer Mannschaft beweinen, sei neben der hauseigenen Erstliga-Doku Irgendwo da unten vor allem der Film True Blue 2 – The Way Back ans Herz gelegt. Anders als sein Hamburger Pendant beginnt der Dokumentarfilm mit dem Abstieg eines der traditionsreichsten schwedischen Vereine, Malmö FF, und begleitet Mannschaft und Fans auf dem beschwerlichen Weg zurück ins Oberhaus.
Ein weiteres Highlight aus sportwissenschaftlicher Sicht ist Dynamo Kiew – Legende einer Fußballmannschaft. In den 70er Jahren spielte sich das „Rote Orchester“ mit herzerfrischendem Offensivdrang in die europäische Fußballelite. Spielszenen aus UDSSR-Archiven, vor allem aber die Trainingsmethoden von Coach Lobanowski (er errechnete z.B. aus Laufleistung, Zahl der Fehlpässe und Zweikämpfe einen „Nützlichkeits-Koeffizienten“) gehören heute wohl nicht mehr zum Standardrepertoire sogenannter Motivationskünstler a lá Lorant und Neururer.
Eine andere Trainerlegende und Urheber unzähliger tautologischer Fußballweisheiten, Sepp Herberger, soll während der Dreharbeiten zu dem Film Das große Spiel angeblich die Hintertorkamera erfunden haben. Der 1942 entstandene Film ist aber auch in historischer Hinsicht bemerkenswert: So handelt es sich dabei um den ersten deutschen Film, der teilweise in Farbe gedreht wurde, und die Originalspielszenen am Ende des Films stammen aus dem Meisterschaftsfinale von 1942 zwischen Schalke 04 und Vienna Wien.
Wie die Verflechtung von realen und fiktiven Stoffen aber auch komplett misslingen kann, ist in dem Film Libero von 1973 zu sehen. Dieser Meilenstein unfreiwilliger Komik zeigt das Leben von Franz Beckenbauer, teils in (offensichtlich) gestellten Szenen, teils im wahren Leben, in jedem Falle aber schreiend komisch. Der Film beweist einmal mehr, dass sich Beckenbauer, schon bevor er 1974 Weltmeister wurde, für eine Lichtgestalt hielt. Selten war eine Selbstdemontage so gelungen und im wahrsten Sinne des Wortes lachhaft.
Frank Schliedermann
My Name is Joe: Do, Sa + So, 20.30 Uhr (Sa auch 22.30 Uhr); True Blue 2: 10. + 12.4., 20.30 Uhr; Der dokumentarische Hattrick (mit Saturday Afternoon Fever, Der zwölfte Mann ist eine Frau, Dynamo Kiew): 12.4., 22.30 Uhr + 13.4., 20.30 Uhr; Libero: 17.4., 20.30 Uhr, 19. + 20.4., 22.30 Uhr; Irgendwo da unten: 17.4., 22.45 Uhr + 19.4., 20.30 Uhr; Das große Spiel: 20.4., 20.30 Uhr; Undercover: 24., 26. + 27.4., 20.30 Uhr (24.4. auch 22.30 Uhr), B-Movie