Von Gronau nach Russland: Urenco schickt neuen Uranmüll
Tausend Tonnen Uranhexafluorid sind auf dem Weg nach Osten. Die Gegner wollen belegen, dass es dort als Atommüll gilt.
DORTMUND taz Erneut wird strahlende Fracht aus Deutschland nach Russland geliefert. Wie gestern bekannt wurde, hat ein Zug, beladen mit rund tausend Tonnen abgereichertem und hochgiftigem Uranhexafluorid (UF6), am Donnerstag die Anreicherungsanlage (UAA) der Firma Urenco im westfälischen Gronau verlassen. Begleitet von Protesten von Anti-Atom-Initiativen aus der Region, fuhren die Waggons gegen 19 Uhr vom Firmengelände in Richtung Niederlande los. In Rotterdam soll die Ladung auf ein Frachtschiff verladen werden. Russische GegnerInnen der Transporte erwarten das Schiff Mitte nächster Woche in St. Petersburg.
Die jüngste Lieferung ist bereits der vierte Transport in diesem Jahr. Die Gründe für die Transporte sind umstritten. "Unsere Anreicherungskapazitäten reichen nicht aus, während die russischen Firmen sogar unterausgelastet sind", sagt ein Unternehmenssprecher. Das abgereicherte UF6 werde in Russland wieder auf das Niveau von Natur-Uran gebracht und zurück an Urenco geschickt.
Die GegnerInnen der Transporte bestreiten das und sehen in den Lieferungen eher einen Weg, für das radioaktive Material ein günstiges Endlager zu schaffen. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Ende Mai geht hervor, dass seit dem Jahr 2000 rund 12.500 Tonnen abgereichertes UF6 zu drei Lagerstätten nach Russland geschickt wurden und bloß 1.200 Tonnen angereichertes UF6 zurückkamen.
Urenco begründet die Differenz mit dem hohen Materialeinsatz bei der Anreicherung. Für die Produktion von einer Tonne angereichertem UF6, was für die Versorgung von Atomkraftwerken gebraucht wird, muss man bis zu neun Tonnen abgereichertes Material einsetzen. Urenco deklariert sein abgereichertes UF6 als "Wertstoff", womit die Lieferungen rechtlich wasserdicht sind. In Russland hingegen bleibt das Material, das bei der Anreicherung abfällt, bei den Unternehmen. "Was die Russen damit vorhaben, entzieht sich meiner Kenntnis", sagt der Urenco-Sprecher.
Dass auch die Behörden vor Ort die Lieferungen als "radioaktiven Abfall" ansehen, möchte Wladimir Sliwjak von der russischen Anti-Atom-Initiative Ecodefense beweisen. Dafür will er einen entsprechenden Bericht der russischen Regierung bei der Staatsanwaltschaft Münster einreichen. Ein Mitte Mai eingestelltes Verfahren gegen Urenco Deutschland solle dann wieder aufgenommen werden.
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