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■ Von Deutschland nach Bophuthatswana und zurück„Wir haben uns geirrt“

Man sollte von Zeit zu Zeit die Treibhausluft Bonns oder Berlins verlassen, um seinen eigenen Kopf auszumisten und ihn sich von den Stürmen freipusten zu lassen, die in anderen Weltteilen toben. Dies erlaubt dann einen andern – kritischen, manchmal zornigen – Blick auf unsere deutsche Szenerie.

Beispiel: Vergangenheitsbewältigung, Nähe zu den östlichen Diktaturen, Kontakte zu Honecker. Kein Tag bei uns ohne eine neue Empörung: Wer hatte nicht alles Kontakt und Beziehung zu den östlichen Machthabern. Jetzt ist auch noch Antje Vollmer dran, davor Johannes Rau, davor schon die ganze Prominenz der politischen Klasse. „Das gespaltene Verhältnis der Grünen zur DDR“ lese ich auf dem Rückflug von Johannesburg. Gespannt war unser Verhältnis zu den Brüdern und Schwestern in der Zone doch allemal.

Da war aber auch noch etwas anderes, was zu Empörung Anlaß gibt. Franz Josef Strauß zog im Februar 1988 – es war seine letzte große Auslandsreise – ins südliche Afrika. Halb auf Bitten des Kanzlers Helmut Kohl, aber klar an dem zuständigen Außenminister Hans- Dietrich Genscher vorbei. Als die begleitenden Journalisten für einen Tag in Johannesburg auf eine Lodge zur Erholung geschickt wurden, sogar der pfiffige Spiegel- Reporter in der Lodge gefangen blieb und nichts roch, da machte sich der „Nebenaußenminister“ Franz Josef Strauß mit seinem Spezi Siegfried Lengl, Staatssekretär im BMZ, von Carl-Dieter Spranger längst wegen einiger Schweinereien in die Wüste geschickt, auf den Weg zu einem regelrechten – Staatsbesuch nach Mmabatho, „Hauptstadt“ der „souveränen Republik“ Bophuthatswana. Des Staates, dem die Verachtung der Staaten- und Völkergemeinschaft galt, der außer von Südafrika nur von einem Staat anerkannt wurde: vom Freistaat Bayern. Zwei Reporter hatten von dem Besuch Wind bekommen und erlebten, wie F.J. Strauß in Mmabatho einflog, wie Lucas Mangope, der schlimmste Quisling der modernen Zeiten, mit Strauß die Ehrenformationen abnahm und die Nationalhymne gespielt wurde. Strauß handelte – wie so oft – nach der Hofbräuhaus-Devise: „Etiamsi omnes ego non“ – Wenn alle etwas tun, dann tue ich das noch lange nicht.

Genau der Erzgauner und Verbrecher, der sich von Südafrikas P.W. Botha aushalten ließ, zur Empörung der drei Millionen Schwarzen, und sich einen sogenannten Fleckenstaat aus zehn wirr in die Karte Südafrikas hineingeschnittenen Wüsteneien aufschwatzen ließ, der allen großen Firmen die Gaunerei ermöglichte, direkt hinter der sogenannten Grenze der sogenannten Republik Bophuthatswana ihre Niederlassungen zu bauen, weil sie dann überhaupt keine Steuer bezahlen mußten, der den bigotten, verklemmten Weißen aus der sauberen Republik Südafrika in Sun City einen Sündenpfuhl hinlegte, der es ihnen erlaubte, ihre eigene Buren- und Weißenrepublik von solcherlei Frevel, Sex, Fun freizuhalten.

– Genau dieser Lucas Mangope, der jetzt seines Lebens nicht mehr sicher ist und sich in der letzten Woche noch von den schlimmsten Rassisten der Afrikaaner Weerstands Bewegung (AWB) schützen lassen wollte

– genau dieser Lucas Mangope wurde von Bayerns Ministerpräsident hofiert. Mit ihm wurden viele bayerische Geschäfte gemacht.

Theo Waigel will bei seinem Staatsbesuch in Südafrika am 22. März – das Ende Bophuthatswanas war nicht eingeplant – die BMW-Niederlassung direkt hinter der Grenze Südafrikas zu BOP besuchen. Man sollte ihm in Bonn vorsorglich vorher sagen oder zuflüstern, nicht daß es zu Peinlichkeiten kommt: es gibt BOP nicht mehr! Psst.

Die Wut der Schwarzen könnte sich jetzt auch gegen deutsche Firmen richten, die das Steuerparadies BOP weidlich ausgenutzt haben. Kurz: Theo Waigel könnte für Bayern, die CSU, aber auch für Deutschland noch einiges retten, wenn er den Schwarzen gegenüber seinen und unseren Irrtum zugäbe, diese läßliche politische Sünde, die in der Kumpanei mit dem letzten Pfeiler der Apartheid bestand, in der Freundschaft zu Mangope. Waigel müßte nur den Satz sagen, den wir in Deutschland uns so sehr abgewöhnt haben: „Wir haben uns geirrt!“

Das muß ja nicht ehrenrührig sein. Geirrt haben sich in der Einschätzung nicht nur Mangopes, sondern Buthelezis, Savimbis und tutti quanti ganz andere ja auch: unter ihnen so mancher Politiker und eine so ehrwürdige Publizistin wie Marion Gräfin Dönhoff. In Bezug auf Jonas Savimbi, der jetzt endgültig Krieg gegen sein eigenes Volk führt, der den Friedensprozeß, der 1991 so hoffnungsvoll begonnen hatte, mit der zynischen Parole unterbrach: „Wenn ich die Wahlen vom 30. September 1992 nicht gewinne, dann waren sie gefälscht!“ ...

Marion Gräfin Dönhoff schrieb im Juli 1988 in der Zeit, sehr eingenommen von Savimbi, der gerade Bonn besucht hatte: „Savimbi wirkt in Zivil weit weniger martialisch als auf den üblichen Photos. Er ist politisch ungemein beschlagen, moderat und pragmatisch; seine Erwartungen sind kühn, aber nicht illusionär. Ein schwarzer Staatsmann, wie es nicht viele dieser Qualität gibt ...“ Die Angolaner, die ich jüngst besucht habe in Cunene, Xangongo und Ondjiva werden sich für eine solche Einschätzung bedanken.

Diese Angolaner haben nämlich uns schon vorher den Kopf gewaschen, uns (linken) Spinnern, als es vor dem 30. September 1992 zur Wahlkampagne ging. Sie sagten uns: „Wir haben nur die Wahl zwischen denen, die uns bestehlen, und denen, die uns morden.“ Da Afrikaner klug sind, in den Techniken des Überlebens uns allemal überlegen, wählten sie die Partei, die die Angolaner bestiehlt: die MPLA ...

Die Solidaritätsbewegung, die starr und dogmatisch an ihrer Unterstützung für die Regimes von Samora Machel (Frelimo Mozambique) und Eduardo dos Santos (Angola MPLA) festhielt, müßte jetzt auch sagen: „Wir haben uns geirrt!“ Auch diese Regime sind skrupellos, wenn es sein muß. Letzter Beweis: Die Regierung in Luanda hat einige hundert (manche sagen: Tausende!) Söldner angeworben – aus der 32. Südafrikanischen Brigade, der schlimmsten Killereinheit. Südafrika hatte sie – zu starker Tobak – entlassen. Für die MPLA sind diese harten Burschen gerade recht für den schmutzigen Krieg. Ihr Gegner Savimbi verkauft seine Diamanten an „Armscor“, Südafrikas größte Rüstungsfirma, die ihn mit Waffen beliefert.

Beim Aufspüren und Auflisten unserer Irrtümer und der Irrtümer unserer politischen und publizistischen Klasse lohnt es, auch mal über den Kirchturm Bonns und Berlins hinauszublicken. Wir haben uns nicht nur gegenüber der DDR und der SED geirrt. Einen Unterschied wird es geben. Die Akten in Johannesburg und in Maputo, in Pretoria und auf Robben Island, die wird der Geheimdienst Südafrikas alle so chemisch rein vernichten, daß dort im Süden Afrikas keine Gauck-Behörde nötig sein wird. Wetten daß ...!? Rupert Neudeck

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