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■ Von Briefbögen, Werbebriefen und eigentlichen SkandalenAffären und andere Banalitäten

Wer will da der FDP an den Kragen? Erst werden die Briefbögen an Möllemanns Vetter im Stern lanciert. Dann kommen Bild und Express mit dem Werbebrief der Schwaetzer für eine Immobilien-Firma heraus. Wird als nächstes schon bald Bildungsminister Ortleb – ja, den gibt es auch noch, auch wenn man ihn immer vergißt – mit einem von ihm abgefaßten Schulbuchaufsatz für Erstkläßler für Langenscheidt erwischt? Weit entfernt davon, die Möllemänner und Schwaetzers und sonstige FDP-Größen in Schutz nehmen zu wollen, fragen wir uns doch, wie das alles so plötzlich kommt. Fast hat es den Anschein, als würde da publizistisch der Weg in die Große Koalition freigeschossen.

Das eigentlich Bedrückende an den laufenden FDP-Affären ist ihre Banalität. Tatsächlich ist es unter Ministern jeglicher Parteienzugehörigkeit Usus, mit Werbebriefchen, Broschüren-Vorworten und anderem Gestammel bei beliebigen Lobby-Verbänden zu glänzen. Insofern kann man an Schwaetzers Immobilien-Kommentar beim schlechtesten Willen nichts Verwerfliches erkennen – alle anderen MinisterInnen machen es schließlich genauso. Daß irgendjemand gegen den Lobbyismus insgesamt zu Felde ziehen würde, ist bisher nicht zu bemerken. Möllemann wäre über seine Briefbögen niemals gestürzt, wenn der Minister nicht von seiner eigenen Partei zum Abschuß freigegeben worden wäre. Schwaetzer wird nicht stürzen, wenn ihr nicht von den Koalitions-Freunden der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Schlimme Affären? Ach, hören Sie auf! Alltag in Bonn ist das.

Für die Politiker haben die jüngsten Skandälchen auch etwas Beruhigendes. Das Volk regt sich über Briefbögen und Werbebriefe auf. Nach der Politik fragt keiner mehr. Der eigentliche Skandal in dieser Republik sind doch nicht Schwaetzers Kommentare in Immobilien-Zeitschriften, sondern die unbezahlbaren Wohnungsmieten. Aufregen sollte man sich weniger über Möllemanns Briefchen zugunsten seines Schwipp-Vetters, sondern über eine Wirtschaftspolitik, als deren Ergebnis mehr als drei Millionen Menschen arbeitslos sind. Und für die Zukunft: Nicht Ortlebs Erstkläßler-Aufsätze wären ein Rücktrittsgrund, sondern die geplanten Studiengebühren und das Einfrieren der Bafög-Zahlungen. Politische Inhalte verkommen zur Nebensache. Die politische Kultur geht vor die Hunde. Auch eine Vorbereitung auf die Große Koalition? Klaus Hillenbrand

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