Vom Verfassungsschutz bespitzelt: Ramelow klagt in Karlsruhe
Bodo Ramelow zieht vor das Verfassungsgericht: Dort will er ein Ende seiner Überwachung erreichen. Seine Partei die Linke hofft auf ein Grundsatzurteil.
BERLIN taz | Als Bodo Ramelow am Dienstag die Pressekonferenz betritt, hat er einen dicken Ordner unterm Arm. Darin sind hunderte Dokumente, die der Verfassungsschutz über ihn gesammelt hat. Zeitungsartikel und Interviews, Onlinetexte und Pressemitteilungen.
Ramelow will die Beobachtung rechtlich unterbinden lassen und hat jetzt eine 49-seitige Beschwerde (auf der Seite des Politikers als PDF-Datei einsehbar) beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. "Ich habe nichts zu verlieren außer meine Akten", sagt der Thüringer Fraktionschef der Linkspartei.
Nach eigenen Angaben wird Ramelow seit den 80er Jahren als Gewerkschaftsfunktionär in Hessen vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch nach 1999 als Thüringer Landtagsabgeordneter und von 2005 bis 2009 als Bundestagsabgeordneter wurden er überwacht. Ramelow hält das für rechtswidrig und klagt seit Jahren vor verschiedenen Gerichten dagegen.
In zwei früheren Instanzen hatte er Erfolg. Der Verfassungsschutz ging in Revision und siegte im Juli 2010 überraschend vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Richter urteilten, dass nicht nur er selbst, sondern auch anderen Spitzenpolitiker der Partei beobachtet werden können (Urteilsbegründung als PDF-Datei). Als Begründung wurden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen von einzelnen Strömungen in der Partei angeführt. Diese könnten nur effizient überwacht werden, wenn auch Spitzenfunktionäre einbezogen würden.
"Es kann nicht sein, dass ich mich allen Strömungen innerhalb der Partei zuordnen lassen muss", sagte Ramelow am Dienstag. Gegen ihn selbst gebe es keinen einzigen politischen Vorwurf. "Die Geheimdienste haben ihre Finger aus den Parlamenten zu lassen", forderte Ramelow.
Entschieden wehrte er sich gegen Äußerungen des Verfassungsschutzchefs Heinz Fromm. Dieser hatte Ende September im taz-Interview erklärt, es würden nicht alle Linksparteipolitiker beobachtet, sondern nur "das Führungspersonal und die Mitglieder extremistischer Gruppierungen". Ramelow sagte am Dienstag: "Ich bin weder in einer extremistischen Gruppierung, noch habe ich irgendeine Funktion innerhalb der Partei." Seit Frühjahr sei er lediglich Fraktionschef in Thüringen.
Unterstützt wird Ramelow von Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi. Seit drei Jahren liegt die Klage der Bundestagsfraktion gegen die Überwachung von Abgeordneten unbearbeitet in Karlsruhe. Durch eine mögliche Zusammenlegung der Fälle erhofft sich Gysi aus Karlsruhe ein Grundsatzurteil.
"Ziel der Beobachtung ist die Stigmatisierung. Das ist nackte Politik", sagte er. Der Geheimdienst werde missbraucht. Inhaltlich seien die Begründungen Blödsinn. "Es gibt niemanden in unserer Partei, der eine Diktatur des Proletariats im marxistisch-leninistischen Sinne will."
Gysi forderte strenge Regeln für die Überwachung von Parlamentariern. "Es kann nicht sein, dass das Parlament bei einer zwanzigjährigen Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht zustimmen muss", so Gysi. Sollte Ramelow nichts aus Karlsruhe hören oder das Gericht gegen ihn urteilen, will er vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
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