piwik no script img

Archiv-Artikel

Vom Meisterwerk zur Massenware: Jackson Browne im Schauspielhaus Schmiermittel Pedal-Steel-Gitarre

Wer Jackson Browne über das im März erschienene Very-Best-Of-Doppelalbum kennen lernt, kann sich kaum vorstellen, dass dieser Mann – 1948 in Heidelberg geboren – 1967 im New Yorker Schuppen The Dome für Nico Gitarre spielte und drei Songs für deren Debütalbum Chelsea Girl schrieb.

Was dazwischen liegt, wird Entwicklungsgeschichte genannt. 1972 veröffentlichte der schöne Mann mit den langen pechschwarzen Haaren und der sehnsüchtigen Stimme sein erstes Soloalbum Saturate before using. Auf dem Cover war eine lehmbraune Wasserflasche abgebildet, die wohl der aus einstigen Höhenflügen bereits wieder deprimiert in der Wüste gelandeten Hippiegeneration die Durststrecke versüssen sollte. Melancholie, große Enttäuschungen, Schwermut-Forest und jede Menge zarter Saitlinge, die doch wundervoll das Herz anrührten. Das Album ist ein Meisterwerk des elektrischen Folk-Rock, das ihn als großen Balladenschreiber auswies. „Song for Adam“, „Something Fine“ und „My Opening Farewell“ zeugen von der enormen Sensititivität des Sängers und Komponisten.

Danach schloss sich Browne leider mehr und mehr dem Schmock der „Edelrocker“ an, die sich im Westcoast-Gegniedel verloren. Für die Eagles schrieb er (mit Glenn Frey) „Take It Easy“, das heute seltsam anmutet, wenn es so aus dem Radio läuft, während man zum Beispiel Stellenanzeigen durchcheckt.

Angepasstesten Mainstream produzierte Browne in Massen. Dabei vermengte er Rock und Country-Elemente zu einer aufblähenden mehligen Sauce. Die Pedal-Steel-Gitarre wurde als Schmiermittel eines sabschigen Lifestyles etabliert. Dies alles passierte zu einer Zeit, in der Eppendorf das Zentrum des Rock in Hamburg war. Es kam zu „Rock‘n‘Roll“-Nummern, die derart aalglatt und ungeil waren, dass einem der geschminkte Schauder über die weiße Lederjacke lief. „Always keeping things real by playing the clown“ und „Keep a fire for the human race“ singt Browne unfreiwillig komisch bereits 1974 auf dem Titel „For A Dancer“ in weiser Vorahnung. Schwer zu ertragende Hits wie „Stay“ und „Running On Empty“ liefen Anfang der 80er auf jeder unerträglichen Uni-Party.

2002, nach sechs Jahren Pause, veröffentlichte Browne mit The Naked Ride Home sein 13. Album. Dieses hinterließ einen eher müden Eindruck. Sein in Songs immer wieder formuliertes Engagement brachte ihm 2002 in seiner Wahlheimat Süd-Kalifornien den renommierten John Steinbeck-Preis ein. Solo wird Jackson Browne wohl etwas von der alten Intimität und Bittersüße aufblitzen lassen, die ihm einst Kultstatus eingebracht hat. Carsten Klook

So, 20 Uhr, Schauspielhaus