piwik no script img

Vom Friseur zum TV-StarAndi mit den Scherenhänden

Schon als Teenager half Andreas Ehrle im Salon seiner Oma dabei, Dauerwellen zu legen – und wurde süchtig. Mit dem Griff zur Heckenschere wurde der Provinz-Friseur zum TV-Star.

"Der Udo Walz, der hat die Krone schon viel zu lange": Andreas Ehrle, Friseur. Bild: dpa

Teppichmesser, Bastelschere, Nagelzange und Heckenschere standen den Kandidaten der Vox-Castingshow "Top Cut" zur Auswahl. Andreas Ehrle, 32, Friseur aus Tübingen, zögerte kurz, nahm dann die Heckenschere. Sekunden später fallen die ersten brünetten Haarbüschel auf den Studioboden.

Das war vor sechs Monaten. Andreas Ehrle erkämpft sich den dritten Platz. Und besitzt mittlerweile rund 20 Heckenscheren, die ihm seine Fans geschenkt haben. Denn Andi mit den Scherenhänden ist mittlerweile ein kleiner Star, zumindest fühlt er sich so. Dabei ist in seinem Friseursalon nichts glamourös. In den schwarzen Drehstühlen frisiert Ehrle nicht Heidi Klum und Nadja Auermann, sondern die Oma von nebenan.

Seit Montag lässt ProSieben in seiner neuen fünffolgigen Mittagssendung "Hilfe vom Profi: Styleattack" vier Stylisten, darunter Andreas Ehrle, auf ahnungslose Passanten los, um denen einen völlig neuen Look zu verpassen. Ehrle verfolgt seine Opfer durch die Fußgängerzone und schneidet im Gehen oder fällt im Aufzug über sie her.

Der Duft der Frauen

In Berührung mit seiner Berufung kam Ehrle, lange bevor er zerrissene Jeans trug und "One life one chance" in seinen rechten Arm eintätowieren ließ. Schon als Teenager half Andi im Salon seiner Oma dabei, Dauerwellen zu legen - und wurde süchtig. Das Gymnasium brach er ab, machte eine Ausbildung und eröffnete mit 23 Jahren seinen eigenen Friseursalon. Auf dem Tisch am Eingang liegt sein Terminplaner, dessen vollgekritzelte Seiten zeigen, dass er sechs Wochen im Voraus ausgebucht ist.

Aus seiner ersten Fernseherfahrung bei "Top Cut" hat Ehrle gelernt. Er ist längst nicht mehr so naiv wie an dem Abend, als er am Telefon eine Zusage für die Castingshow erhielt und zur Feier des Tages allein zu Hause eine halbe Flasche Martini trank. Damals ahnte er noch nicht, dass die Sendung sein Leben verändern würde. Um berühmt zu werden, musste er sich durch eine Show kämpfen, die mit ihren Kandidaten nicht gerade zimperlich umgeht. "Da waren vier bis fünf Psychologen am Set, nicht um dich aufzubauen, sondern um dich fertigzumachen. Die bringen dich dazu, Dinge zu sagen und zu tun, die du gar nicht so meinst", erzählt Ehrle. Auf der Straße wird er jetzt erkannt, in Diskotheken angesprochen - vor allem von Frauen. "Von zehn Telefonnummern sind acht wasserstoffblond. Du nimmst auch die eine oder andere mit nach Hause, aber damit verlierst du den Wert dafür, welcher Mensch dich mag. Und du verlierst deine Freundin, mit der du elf Jahre lang zusammen warst." Dann schiebt er hinterher: "Am Ende bist du noch einsamer."

Etwas größenwahnsinnig

Wenn Ehrle erzählt, scheint es, als sprechen zwei verschiedene Menschen. Wenn er sagt: "Das Rad dreht sich zwar, aber ich könnte jederzeit aussteigen", dann fragt man sich, ob der Fernseh-Andi da mitmachen würde. Dass er - wie er beteuert - problemlos wieder auf die Promi-Welt verzichten könnte, ist schwer zu glauben. Denn er macht weiter, gibt Interviews und schreibt Autogramme. Auf Twitter verdeutlicht er, wie begeistert er von dem Hype um seine Person ist. Er kündigt Auftritte und Pressemitteilungen an, in Großbuchstaben, mit unzähligen Ausrufezeichen. "Styleattack" ernennt er dort kurzerhand zu seiner eigenen Show.

"Es ist wie Magie, die ich an mir selbst erkannt habe und auf alle Menschen übertragen möchte", sagt Andreas Ehrle, wenn er über das simple Ansetzen und Zudrücken einer Schere spricht. Der Mann mit der Heckenschere will Deutschlands nächster Starfriseur werden, denn "der Udo Walz, der hat die Krone schon viel zu lange".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!