: Voll Trotz vor Gericht
aus Kairo KARIM EL-GAWHARY
Trotzig und selbstbewusst trat Saddam Hussein gestern vor das irakische Sondertribunal, vor dem sich der 68-Jährige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten hat. Der erste Auftritt des Diktators vor Gericht war ein Moment, auf den die Opfer seines Regimes seit Jahrzehnten gewartet haben.
„Diejenigen, die im Namen Gottes kämpfen, werden stark sein“, lauteten Saddams erste Worte, die vom Vorsitzenden Richter Risgar Muhammad Amin, einem Kurden, unterbrochen wurden. Er forderte Saddam auf, die Formalitäten zu respektieren und seine Identität zu bestätigen. Saddam, in einem dunkelgrauen Jackett und einem offenen weißen Hemd und mit seinem inzwischen charakteristischen ergrauten Bart, antwortete mit einer Gegenfrage: „Wer sind Sie, was machen Sie hier? Haben Sie schon einmal als Richter gearbeitet?“, fragte er. Das gehöre nicht hierher, entgegnete der Vorsitzende Richter, der Ruhe bewahrte und Saddam erneut aufforderte, seinen Namen zu nennen.
„Sie kennen mich, Sie sind selber Iraker, und Sie wissen, dass ich nie ermüde“, lautete die indirekte Antwort Saddams. „Ich weigere mich, diese Frage zu beantworten, weil dieses Gericht illegal ist“, blieb Saddam stur. Er erkenne die Autorität nicht an, die dieses Gericht ins Leben gerufen habe, führte Saddam weiter aus, in Anspielung darauf, dass das Sondertribunal von dem ehemaligen amerikanischen Besatzungsverwalter Paul Bremer ins Leben gerufen worden war. „Ich werde diesem so genannten Gericht nicht Rede und Antwort stehen, mit allem Respekt“, beendete er den Wortwechsel und setzte sich.
Anders als seine sieben mitangeklagten Vertreter des alten Regimes, die als Gruppe alter gebrochener Männer auf den drei Reihen der Anklagebank Platz nahmen, hatte Saddam die Szene im Gerichtssaal schnell unter Kontrolle. Von ihm angespornt, beschwerte sich schließlich auch ein Teil der anderen Angeklagten, dass ihnen ihre Kopftücher vor dem Eintritt in den Gerichtssaal abgenommen wurden. Laut irakischer Beduinentradition gilt dies als eine Beleidigung. Der Richter ordnete schließlich an, den Angeklagten die traditionellen schwarz-weiß- oder rot-weiß karierten Kopftücher auszuhändigen: „Sie sitzen hier nicht für das, was Sie sind, sondern für das, was Sie getan haben.“ Dann las der Richter die Anklagepunkte vor: Mord, Folter, gewaltsame Vertreibung und illegale Gefangennahme im Falle eines Massakers in dem schiitischen Dorf Descheel 1982, bei dem 143 Menschen exekutiert worden waren. Dafür stehe als höchstes Strafmaß die Todesstrafe. „Ich habe alles gesagt, was zu sagen ist. Ich bin nicht schuldig“, ließ Saddam danach verlauten. Alle anderen Angeklagten, darunter der ehemalige Vizepräsident Taha Jassin Ramadan, Awad al-Abdar, ehemaliger Chef des Revolutionsrates, Brasan Ibrahim, einst Chef des Geheimdienstes, und andere niederrangige Vertreter der einstigen Regierungspartei, erklärten sich ebenfalls für nicht schuldig.
Der Staatsanwalt präsentierte dann eher unzusammenhängend die Anklage und zählte die grausamen Details der Ereignisse in der Kleinstadt Descheel vor. Über 20 Tage hatten dort die Schergen Saddams gewütet. Die Staatsanwaltschaft hofft, mit Hilfe eines von Saddam unterschriebenen Exekutionsbefehls für 143 Menschen dessen direkte Verwicklung nachweisen zu können.
In einer kurzen Pause weigerte sich Saddam, sich von seinen zwei Bewachern aus dem Gerichtssaal führen zu lassen. Nach einem kurzen Gerangel durfte er schließlich den Saal verlassen, ohne festgehalten zu werden.
Nach der Pause stellte die Verteidigung den Antrag, den Prozess um drei Monate zu vertagen. Sie habe nicht genug Zeit gehabt, den Fall zu studieren. Der nächste Verhandlungstag wurde für den 28. November festgesetzt.