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Volkskongress in ChinaGewolltes Entwicklungsland

Die drittgrößte Wirtschaftsmacht sieht sich als Entwicklungsland. Ministerpräsident Wen will deshalb die Kluft zwischen Arm und Reich mindern. Und den Status nutzen, um Klimaauflagen zu umgehen.

Proteste zum Volkskongress wurden wie immer rigoros unterbunden. Bild: ap

PEKING apn | China sieht sich trotz seines Aufstiegs zur drittgrößten Wirtschaftsmacht als Entwicklungsland, für das die Verbesserung des Lebensstandards seiner Bevölkerung erste Priorität hat. Das erklärte Ministerpräsident Wen Jiabao in seiner Abschlusspressekonferenz zur Jahressitzung des Volkskongresses. Wen stellte klar, dass Peking nicht internationalem Druck zur Aufwertung des Yuans nachgeben werde, die chinesische Exporte verteuern würde. Die Verschlechterung in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen sei allein Washingtons Schuld.

Wen verwies auf den Empfang des Dalai Lamas durch US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus und ein großes Rüstungsgeschäft mit Taiwan, das von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird. "Wir hoffen, dass die USA diese Problematik fair behandeln, um die amerikanisch-chinesischen Beziehungen wiederherzustellen und zu verbessern". Zu Forderungen auch aus den USA, die Landeswährung gegenüber dem Dollar aufzuwerten, sagte Wen, es werde eine Reform des Wechselkurssystems geben, der Yuan werde aber "grundsätzlich stabil" bleiben.

Kritiker sagen, China erziele mit einem unterbewerteten Yuan - auch Renmimbi genannt - einen unfairen Preisvorteil für seine Exporteure und baue damit seien Handelsüberschuss aus. "Ich denke nicht, dass der Renmimbi unterbewertet ist", sagte Wen. "Wir widersetzen uns allen Ländern, die sich an gegenseitigen Schuldzuweisung beteiligen oder starke Maßnahmen ergreifen, andere dazu zu zwingen, ihre Währung zu würdigen." Im US-Kongress und Wirtschaftsorganisationen gibt es Rufe nach Strafzöllen für chinesische Waren, sollte Peking den Yuan nicht aufwerten.

Wen betonte, China sehe sich noch nicht als Weltmacht und strebe keine größere Rolle internationalen Angelegenheiten an. Als Entwicklungsland gelte es, den Lebensstandard zu verbessern und die in den Boomjahren entstandene Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern, In dem von den 3.000 Delegierten des Volkskongresses gebilligten Haushalt sind ein zehnprozentiger Ausgabenanstieg zur Ankurbelung der Wirtschaft, mehr Mittel für billige Wohnungen, höhere Renten und Sozialprogramme für die 1,3 Milliarden Einwohner vorgesehen.

Der Volkskongress komm einmal im Jahr zu einer zweiwöchigen Plenarsitzung zusammen. Die täglichen Entscheidungen werden vom ständigen Komitee des Volkskongresses entschieden.

Kritik an Behandlung beim Weltklimagipfel

Wen nahm auch zu der Kritik an China wegen seiner Haltung beim Weltklimagipfel in Kopenhagen Stellung. Mit seiner Betonung des Status als Entwicklungsland will Peking auch harte Auflagen beim Schadstoffausstoß seiner Industrie vermeiden. Zum Eindruck, China habe in Kopenhagen die Vereinbarung verbindlicher Klimaschutzziele verhindert, sagte Wen, er sei zu dem entscheidenden Treffen der wichtigsten Delegationen gar nicht formell eingeladen worden. Er habe damals den stellvertretenden Außenminister He Yafei einen Protest vorbringen lassen. "Niemand hat uns das erklärt und das ist für uns bis heute ein mysteriöser Vorgang", sagte Wen.

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2 Kommentare

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  • S
    sebastian

    Bei aller berechtigten Kritik: Man muss der chinesischen Regierung lassen, dass sie durchaus keine schlechte Politik macht. Man vergleiche nur mal die Entwicklung Indiens mit der Chinas. Das Recht, alle paar Jahre mal wählen zu gehen, ist eben nicht alles. Und ein 1,3 Milliarden Einwohner Land zu regieren, ist halt auch kein Zuckerschlecken.

    Dass China Entwicklungsland bleiben will, ist doch selbstverständlich und auch berechtigt. Schließlich hat China ein kaum höheres pro-Kopf-BIP als Kuba. Der Reichtum und der Fortschritt Chinas werden häufig überschätzt, weil man nur die Städte vor Augen hat, und nicht berücksichtigt wird, dass die meisten Chinesen bis heute mittellose Bauern sind.

  • D
    DenkSchlächter

    Wen wundert’s? Ein Regime, das vor Niemand und Nichts Halt macht, Menschenrechte, Pressefreiheit, Demokratie, Souveränität von Staaten, Patente u. v. a. mißachtet, soll ausgerechnet auf geschenkte Vorteile verzichten, die ihm der Status eines Entwicklungslandes beschert? Es gibt immer noch hirnrissige Politiker in Geberländern, die das weiterhin betreiben, andere, wesentlich ärmere Staaten leiden darunter, was China ermöglich ihnen gegenüber den freundlichen und hilfsbereiten Spender zu mimen ( vorausgesetzt, es lohnt sich)…