Volksentscheide in der Schweiz: Gegen Waffenexport und Minarette
Nach monatelangen heftigen und emotionsgeladenen Debatten stimmen die Eidgenossen am Sonntag über zwei Volksinitiativen zum Verbot von Rüstungsexporten und Minarettbauten ab.
GENF taz | Bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial sind die rund 7,2 Millionen SchweizerInnen im Jahr 2008 zum Vizeweltmeister aufgestiegen. Nur Israel exportiert pro Kopf der eigenen Bevölkerung mehr Waffen und Munition. Von der Innerschweizer Firma Pilatus gelieferte Flugzeuge werden in den internen Konflikten zahlreicher Ländern von den Regierungen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Gewehre und Pistolen des staatseigenen Rüstungsuntenehmens RUAG landeten in den Händen von Kindersoldaten in Indien und anderen Ländern.
Rüstungskonzerns, liefert Luftabwehrsysteme an die in Afghanistan kämpfenden Truppen Deutschlands,der USA und anderer NATO-Staaten. Rund 95 Prozent aller Schweizer Rüstungsexporte der Vergangenheit wären ein klarer Verstoß gegen Ausfuhrrestriktionen, die die Berner Regierung (Bundesrat) letztes Jahr beschloß, um die zunehmende Kritik an den steigenden Rüstungsausfuhren zu beschwichtigen. Diese Bestimmungen verbieten ausdrücklich jeglichen Verkauf von Kriegsmaterial an Länder, "die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind."
Doch der Bundesrat macht keine Anstalten, die verschärften Bestimmungen auch umzusetzen, und seine Bewilligungspraxis für Rüstungsexporte zu verändern. Deshalb initiierte die "Gruppe Schweiz ohne Armee" (GSOA) die Volksinitiative für ein vollständiges Verbot der Kriegsmaterialausfuhr. Unterstützt wird die Initiative von den Schweizer Sozialdemokraten, den Grünen , einigen Gewerkschaften sowie den kirchlichen Hilfswerken. Der Initiativtext fordert für einen Zeitraum von zehn Jahren massive öffentliche Investitionen zur Rüstungskonversion und zur Schaffung ziviler Arbeitsplätze an den Standorten der vier Schweizer Rüstungsunternehmen.
Dennoch konzentrierten die Gegner der Initiative – alle bürgerlichen Parteien, der Arbeitgeberverband und diverse Wirtschaftsverbände- ihre von der Rüstungsindustrie finanzierte Kampagne auf die Drohung mit dem Verlust nicht nur sämtlicher 5.100 Arbeitsplätze in den vier Rüstungsunternehmen sondern darüberhinaus von weiteren 5.000 Jobs in zahlreichen Zulieferbetrieben. Infolge dieser massiven Angstkampagne wird die Volksinitative für das Verbot von Rüstungsexporten nach letzten Prognosen am Sonntag wahrscheinlich nur einen Achtungserfolg von maximal 40 Prozent der Stimmen erzielen.
Eine reine Angstkampagne ist auch die von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) des ehemaligen Bundesrates Christoph Blocher lancierte Initiative für ein Verbot des Baus von Minaretten. Sie wirbt landesweit mit düsteren Plakaten, auf denen überdimensionale Minarette wie Raketen in den Himmel stoßen. Die Plakate wurden sowohl von der Eidgenössischen Kommission zu Rassimusbekämpfung wie vom Menschenrechtsrat der UNO in Genf scharf kritisiert.
Sprecher der Kampagne kündigten an, daß sie im Falle eines Erfolges eine weitere Initiative zum Verbot von Moscheen und islamischen Kulturzentren in der Schweiz starten wollen. Obwohl die Initiative zum Minarett außer der SVP nicht nur von allen anderen Parteien des Bundesparlaments entschieden abgelehnt wird, sondern auch von der Regierung, sämtlichen Kirchen, dem Arbeitgeberverband, dem Gewerkschaftsbund und allen Wirtschaftsverbänden, galt eine zumindest hauchdünne Mehrheit der Stimmberechtigen für die Initiative zuletzt nicht mehr als völlig ausgeschlossen. Um angenommen zu werden, müßte die Initiative allerdings auch eine Mehrheit in mindestens der Hälfte der 26 Kantone erreichen.
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