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Volker Surmann Frühling mit Merz

Nun also Merz, erstmals seit Kohl wieder ein Kanzler mit Wortspielpotenzial und ich fürchte: Die Brandmauer zum Kalauer wird fallen! Merz öffnet auch hier das Tor zur Hölle. Doch bevor es andere tun, opfere ich mich und verbrenne hier, im Namen des Volkes, die schlimmsten Wortspiele mit „Merz“. Die nächsten Jahre werden zweifellos auch ohne sie schlimm genug.

Merz ist unbeliebt bei Frauen, sagen Umfragen, das wird Springer anspornen. Ich erwarte das gefühlvolle Kanzlerporträt in der Bild der Frau: „Friedrich – unser Herzmerz“. Andere werden der SPD bald „Merzschmerz“ attestieren und wie lässt sich ein Besuch im Kanzleramt besser benennen als „In der Merzkammer der Macht“? Eine Reportage aus Arnsberg zeigt Skatspieler am Stammtisch: „Stiche in der Merzgegend“. Altphilologen witzen „die Ideen des Merz“ auf, Ulf Poschardt feiert in der Welt „Die Merzrevolution“ und in manch einer Büttenrede wurde der „Merzkeks“ zerbröselt. Der „Merzkasper“ wird in die Shows zweitrangiger Komiker einziehen wie weiland das „Trumpeltier“ und der beliebte Stand-up-Politiker Jan van Aken („Halten Sie doch mal Ihren rechten Rand!“) wird nachlegen: „Jetzt halten Sie doch mal Ihre Merzklappe, Herr Bundeskanzler!“

Welches Medium nennt den Zeitplan für eine Regierungsbildung als erstes „Merzrasen“? Oder heben sich Spiegel und Co das noch auf, falls der cholerische Sauerländer mal wieder eine „Merzattacke“ hat? „Merz macht Terz“ clickbaitet n-tv, falls die Omas gegen Rechts nicht zuvor eine Demo „Terz gegen Merz“ anmelden. Sagt Saskia Esken nach einem Aus der Koalitionsverhandlungen: „Dieser Merzbecher ist an uns vorübergegangen“? Könnte sie so einen Kalauer politisch überleben? Kommt es zur erfolgreichen Kanzlerwahl, titelt die taz: „Deutschland, dies ist dein Merzblatt!“ Wer wird die Rolle der SPD als „Die Merzlindernde“, wer Markus Söder als „Merzschrittmacher“ bezeichnen?

Kann der Jurist eigentlich Landwirtschaft? „Was macht der Bauer im Merz?“, fragt ­agrarheute. Mit Sicherheit wird der Spiegel irgendwann eine Titelstory bringen über den Kanzler in der Krise: schlaffe Silhouette, hängender Kopf, fliehende Stirn vor Schwarz-Rot-Gold: „Der Merzpatient“. Topp, die Wette gilt! Focus verteidigt die Einschnitte ins Bürgergeld als „Merztherapie für Deutschland“. Blockiert sich die neue Koalition, dann titelt irgendein Leitmedium sicher „Merzstillstand“. Eine Bilderstrecke mit hässlichen Abschiebeszenen und Pushbacks wird den Stern nicht von „Die Merzgrenze“ abhalten.

Die ultimative Überschrift für Fake News aus dem Kanzleramt lautet natürlich „Merz verzerrt“. Und zerbricht die Koalition, wird irgendwer schon „Merzinfarkt!“ titeln, vielleicht bastelt auch jemand was mit „ausgemerzt“ oder „endlich merzfrei!“

Und dann? Neuwahl oder Schwarz-Blau? – Am wenigsten von allen Wortspielen will ich jemals dieses lesen: „Alice Weidel hört Merzklopfen.“

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