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■ Volker Rühe: Bundeswehrreduzierung statt -reformVom Tiger zum Bettvorleger

Kurz nachdem Rühe auf der Hardthöhe den Chefsessel von Stoltenberg übernommen hatte, überraschte er die Öffentlichkeit mit der Festellung, er werde von sich aus substantielle Einsparungen im Verteidigungshaushalt vornehmen, um nicht kurzatmig von Sparbeschluß zu Sparbeschluß gehetzt zu werden. Gemessen an dieser Vorgabe mag Rühe sich selbst Rechenschaft über den Erfolg seiner Vorneverteidigung abgeben – tatsächlich tut er seit Monaten kaum anderes, als über Kürzungsbeschlüsse, die andere für ihn getroffen haben, zu lamentieren. Als Tiger abgesprungen, als Bettvorleger gelandet.

So erfolgreich Rühe bei der Ausweitung des Bundeswehrauftrages war, bei der Umstrukturierung der Armee ist er kläglich gescheitert. Weder hat er es geschafft, unsinnige Großprojekte aus der Zeit des Kalten Krieges wie den Jäger 90 kleinzukriegen, noch hat er bislang ein Konzept vorlegen können, in dem der Umfang der Bundeswehr mit ihrer tatsächlichen Aufgabe begründet wird. Die Zahl 370.000 war ein politischer Kompromiß in der 2-plus-4-Runde, der sich an den Wiener Abrüstungsverhandlungen zur Reduktion von Truppen und konventionellen Waffen orientierte. Damals gab es die UdSSR noch, und die jeweiligen Truppenstärken wurden nach Maßstäben ermittelt, die den Militärs inzwischen längst abhanden gekommen sind.

Bislang ist Rühe jede Erklärung schuldig geblieben, warum die Bundeswehr 370.000 und nicht lediglich 250.000 oder 100.000 Mann haben sollte. Soll die Bundeswehr darauf vorbereitet werden, zukünftig Bestandteil einer Euro-Armee zu werden, hauptsächlich aus Schnellen Eingreiftruppen bestehen oder sich auf die klassische Landesverteidigung konzentrieren? Für jede Variante wäre eine andere Sollstärke denkbar und würde sich im übrigen die Frage nach Wehrpflichtigen- oder Berufsarmee neu stellen. Doch statt ein Konzept zu erarbeiten, will Rühe sich alle Optionen offenhalten und die Sinnkrise auf möglichst hohem quantitativen Niveau aussitzen.

Durch dieses Aussitzen läuft er nicht nur Gefahr, seinen Etat zur beliebigen Manövriermasse zu machen – was letztlich egal ist, weil auch 46 Milliarden noch viel zu viel sind –, sondern er gibt auch den Ideologen von vorgestern Gelegenheit, sich wieder breit zu machen. Noch sind die Wahlen in Rußland nicht ganz ausgezählt, da werden hier die uralten Bedrohungsszenarien wieder ausgekramt. Jetzt muß Schirinowski für die Sollstärke der Bundeswehr herhalten. Jürgen Gottschlich

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