: Vogel muß nicht hinter Gitter
■ Zwei Jahre Bewährung für den Ex-DDR-Unterhändler
Berlin (AFP/taz) – Der frühere DDR- Unterhändler Wolfgang Vogel ist gestern vom Berliner Landgericht wegen der Erpressung ausreisewilliger DDR-Bürger zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß der 70jährige als Rechtsanwalt und Notar in der DDR ausreisewillige Mandanten in vier Fällen zum Verkauf ihrer Häuser und Grundstücke gezwungen hatte. Außerdem wurde er der Falschbeurkundung in fünf Fällen und des Meineids für schuldig befunden. Neben der Haftstrafe verhängte das Gericht noch eine Geldstrafe von 92.000 Mark. Die Staatsanwaltschaft will eine Revision prüfen. Vogels Verteidiger Wolfgang Ziegler nannte eine Revision wahrscheinlich.
Der vorsitzende Richter Heinz Holzinger sagte in der Urteilsbegründung, Vogel habe eine „einzigartige Stellung“ bei der Bearbeitung von Ausreisefällen innegehabt. Sein Einfluß sei „erheblich“ gewesen. Vogels Verhalten sei „typisch für das System des Gebens und Nehmens in der Mangelwirtschaft“ gewesen. Um eine moralische Beurteilung des Verhaltens sei es dem Gericht aber nicht gegangen. Holzinger räumte ein, daß Vogels Tätigkeit „facettenreich“ gewesen sei, und unterstrich, daß der Jurist von vielen westdeutschen Politikern geachtet worden sei.
Nach Ansicht des Gerichts hatte Vogel beim Verkauf der Immobilien Angehörige der Nomenklatura begünstigt. Als strafmildernd wertete Holzinger, daß der ehemalige Unterhändler sehr vielen Menschen die Ausreise ermöglicht hat.
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