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Visum schützt vor Rückflug nicht

■ Flughafen: BGS diagnostiziert eigenmächtig Fälschung und schickt Kameruner schnell zurück, bevor Gericht das untersagen kann Von Stefanie Winter

Mit einem gültigen Studentenvisum im Paß wollte der Kameruner Ernest Tamagni am 27. Dezember nach Hamburg einreisen. Weit kam er allerdings nicht: Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) hielten den 25jährigen zwei Nächte in der Wache am Flughafen fest, um ihn anschließend nach Kamerun zurückzuweisen. Eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts gegen dieses Vorgehen kam zwei Stunden zu spät.

Ernest Tamagni will in Kassel Elektrotechnik studieren. Zum vorher obligatorischen dreimonatigen Deutschkurs war er angemeldet; eine Vor-Einschreibung für die Universität hatte er ebenfalls in der Tasche. „Er hatte auch ein gültiges Visum und somit einen Anspruch darauf einzureisen“, sagt sein Rechtsanwalt Mahmut Erdem. Die Rückweisung durch Beamte des BGS sei ein glatter Rechtsbruch.

Der BGS sieht das naturgemäß anders. Die Einladung für den Deutschkurs sei eine „Totalfälschung“ gewesen, erklärt Pressesprecher Joachim Haag, als solche erkennbar wegen des fehlerhaften Textes. Die Nachfrage beim angegebenen Institut hätte dann bestätigt, daß dort kein Schüler mit Tamagnis Namen angemeldet war. Und nur für einen Sprachkurs sei das Visum in Tamagnis Paß gültig gewesen. Der BGS diagnostizierte „Visa-Erschleichung“. Kurzerhand stempelten die Beamten das Visum ungültig und schickten den jungen Mann zurück.

Tamagnis Visum wurde vom deutschen Konsulat in Kamerun erteilt. Die Anmeldung für den Sprachkurs und die Vor-Einschreibung für die Uni sind dort entsprechend geprüft und offenkundig nicht als Fälschungen betrachtet worden. Es sei nicht die Sache des BGS, sagt Erdem, sich darüber hinwegzusetzen und einen gültigen Stempel einfach für ungültig zu erklären: „Das Visum war keine Fälschung.“ Aufgabe der Beamten sei es, bei einem entsprechenden Verdacht zu ermitteln und die Erkenntnisse an die Innenbehörde weiterzuleiten. „Die Beamten haben eindeutig ihre Kompetenzen überschritten.“ Die Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens muß nun durch eine Feststellungsklage geprüft werden.

Ernest Tamagni ist wieder in Kamerun. Dem Einspruch gegen seine Rückführung hatte das Verwaltungsgericht am Morgen des 29. Dezember stattgegeben – um eine angemessene Prüfung des Sachverhalts zu ermöglichen. Ein entsprechender Anruf ging um elf Uhr beim BGS ein. Der hatte den Studenten jedoch bereits um neun Uhr „in die nächstmögliche Maschine nach Kamerun“ gesetzt, so Haag.

Tagmani muß nun – wenn ihm die Lust auf ein Studium in Deutschland noch nicht vergangen ist – in Kamerun erneut ein Visum beantragen. Auch das Flugticket darf er noch einmal bezahlen. Wenn die Feststellungsklage Erfolg hat, werden ihm die Reisekosten wahrscheinlich erstattet, meint sein Rechtsanwalt. Erfahrungsgemäß dauere ein solches Verfahren lediglich zwei Jahre.

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