Village Voice : Pyranja versucht es nun auch mal mit der 0190-Nummer und hat auf ihrem neuen Album „Frauen & Technik“ viel von Poppen untergebracht
Nein, Sie haben sich nicht verwählt. „An alle Typen, die mich mögen / Leckt meine Pussy“. Das ist keine 0190-Nummer, das ist Pyranja. Die Rapperin scheint aus dem steten Pech mit den Plattenfirmen, von denen diverse immer dann pleite gingen oder umstrukturiert wurden, als ihre Platten herauskommen sollten, nicht nur den Schluss gezogen zu haben, ihr neues Album „Frauen & Technik“ auf dem dafür eigens gegründeten eigenen Label herauszubringen. Vor allem scheint sie schlechte Laune bekommen zu haben: Auf dem finden sich zwar auch noch Tracks, in denen die Wahlberlinerin – wie bisher von ihr gewohnt – in freundlichen Worten und voller Poesie ihr Dasein reflektiert.
Immer wieder aber bricht Pyranja auf „Frauen & Technik“ in eine Domäne ein, die bisher allein dem anderen Geschlecht vorbehalten war: Bislang dürfte keine Frau auf dieser Seite des Atlantiks jemals so viele „Schwänze“, „Fick“ und „Poppen“ auf einem Album untergebracht haben. Fröhlich schlüpft sie in manchem Song in die Rolle einer jener strammen Männerfantasien, die sich in den Videoclips international operierender HipHop-Stars räkeln, und konterkariert das mit dem eigenen Anspruch, besser als alle Jungs zu rappen. Die internationale Frauensolidarität jedenfalls hat auf „Frauen & Technik“ einen schweren Stand: „Alle anderen Bräute bringen nur einfache Sätze.“
Zur Unterstützung hat sich Pyranja denn auch neben ihren Dauergästen vom Ostblokk passende Unterstützung geholt: Fumanschu von der M.O.R-Posse rappt mit ihr auf „Ab 18“ vom gemeinsamen Sex: „An alle anderen: Eure Titten zu klein / Ihr müsst Fu einen blasen und erst dann geht’s ans Mike“. Alle denkbaren Vorwürfe umschifft sie bereits im Eingangsmonolog mit vorauseilender Kritikerschelte: „Ich pass nicht in Klischees, klapp deine Schublade zu.“ Vielleicht aber ist die übertragene Schwanzträger-Attitüde ja auch ironisch gemeint, der Auftritt als willige Gespielin nur ein Cameo. Dann allerdings sind die schauspielerische Leistung und vor allem der Spagat zwischen den grundverschiedenen Pyranjas preiswürdig.
Nun könnte man sagen, Pryanja versucht, auf den gen Chartsspitze rasenden Zug aufzuspringen, der bislang mit Sido und Bushido noch recht dünn besetzt ist. Aber wer könnte es ihr verdenken, nachdem der real existierende Kapitalismus ihre Talente bisher nahezu systematisch verschleuderte. Nötig hätte sie diesen Stilwechsel nicht gehabt, erreichen ihre Reime auf „Frauen & Technik“ doch erstmals ein Niveau, das einen nicht mehr in regelmäßigen Abständen peinlich berührt zusammenzucken lässt. Ob in „Nordcore“, einer Hymne auf die Ostsee, an deren Küste die ehemalige Rostockerin aufwuchs, in dem nicht allzu tiefgründigen, aber immerhin politischen „Deutschland 04“ oder in „Zeilen für Dich“, einem Liebeslied, wie es sich im deutschen Rap immer noch arg wenige trauen: Pyranjas Reime fließen und rollen und haben keine Angst mehr vor großen Worten – auch wenn mancher Altzeitfan sich fühlen wird wie falsch verbunden. THOMAS WINKLER