piwik no script img

Village VoiceBebop Shuffle

■ Jetzt gibt es die Berliner Club-CD: „Blues Against Racism“

Abonnierte Village-Hänger mögen zwischen den Berlin-Kultur-Zeilen, -Spalten, -Kästchen, -Boxen und anderen einschlägigen -Verstecken in dieser Zeitung schon über den Hinweis „Bebop“ gestolpert sein, und einige haben sich gewiß auch schon mal aufgemacht in die Kreuzberger Willibald-Alexis-Straße, wo die kleine Kneipe mit dem großen Namen gelegen ist. Mittlerweile scheint man sogar im fernen New York unter Bebop nicht nur ein betagtes Jazzgenre zu verstehen, sondern eben auch den Jazztreffpunkt in unserem Village zu kennen.

So ist es zumindest dem Booklet einer jüngst erschienenen CD zu entnehmen, in dem der renommierte New Yorker Klarinettist Perry Robinson von unserem Bebop schärmt und von den drei Wahnshufflern (Felix, der Bandleader und Saxophonist, Ernst Bier, Schlagzeug, und Ed Schuller, Baß), die sich an einem der mittlerweile legendären Samstagabende „Live At The Bebop“ einfanden und die vorliegende CD aufnahmen: „Blues Against Racism“. Legendär, da die wochenendliche Livemusik im Bebop den Interventionen einer jazzfeindlichen Mietpartei aus den oberen Stockwerken inzwischen weitgehend zum Opfer fiel.

Legendär auch wegen seiner einzigartigen Atmosphäre und eines Club-Sounds, den man selbst via CD noch gut mithören, ja spüren kann. Kein störendes Beifallsgetöse und Klänge, die sich in großen Hallen verlieren, sondern das intime Jazzfeeling der vier, fünf Dutzend Hände, die das Publikum in dosierten Abständen betätigt, und des halben, das die Instrumente bedient.

Im Bebop schauen die emsigen Berliner Jazzer nach ihrem unterbezahlten Abendwerk gerne mal auf den verdienten Abschiedsbecher vorbei, hier machen Klatsch und Tratsch die Runde, hier planen Arbeitslose den nächsten Gig, hier versichert man sich der vielbeschworenen Community, und daß es jenseits großer Kunstbeflissenheit auch das Leben Jazz gibt, hier diskutiert man schon am Abend zuvor, was die Morgenzeitungsleser über den Hauptstadtjazz erfahren werden.

Sutay Tuncay und Sedal Sardan, die engagierten Bebop- und seit kurzem auch Mokkabar-Betreiber in der Gneisenaustraße, haben jedenfalls versprochen, den Live-Jazz im Village weiterhin zu fördern. Darüber sollen die von ihnen zwischenzeitlich angebotenen Tonkonserven nicht hinwegtäuschen. Nur wer die Schallisolierung fürs Bebop spendiert, ist noch ungeklärt.

Einstweilen kündet jetzt die Wahnshuffle-CD, für die Sardan auch das Cover entwarf – Hand drückt Saxophonklappe über den „Racism“-Schriftzug in die rechte Ecke – von den besseren Tagen im Kreuzberger Jazz-Village. Und dabei kam selbst die eigentlich eher zufällig zur Produktion. Geborgen aus Wahnshuffles ganz privatem Sound-Archiv.

Denn es ist längst zur Routine geworden, daß Musiker ihre Proben und Konzerte mitschneiden, um sich später dann durch die Kassettenstapel zu hören, die von harter Arbeit zeugen, von Fehlern, Irrtümern und den großen Versuchen, die nur selten gelingen. Jazzer sind die aufmerksamsten Hörer ihrer Musik, und das nicht nur, weil das Publikum zu einer imaginären Quote schwand. Die portable Aufnahmetechnik hat uns bereits heute Sound-Archive in Ausmaßen beschert, die kein Historiker je mehr wird abarbeiten können.

Die Sichtung der großen Würfe bleibt einstweilen den Musikern selbst überlassen. Ein gutes Gespür dafür bewies Ed Schuller bei dieser CD. Auch eine Kassette des Bebop-Konzerts reiste eines Tages mit ihm nach New York, wo er sie hörte und für hörenswert befand. Und als Bier (der Schlagzeuger) und Robinson ihm auch noch zustimmten, „totally knocked out“, machte das Tape seinen Weg weiter zum Frankfurter Bellephon Label, bis es schließlich als kleine Scheibe eingeboxt nach Berlin zurückkam.

Und ist jetzt so käuflich wie ein gutes Buch, für das man keinen Nachttisch braucht. Unbedingt. „Nichts Abstraktes, ganz direkt“, wie Wahnshuffle sagt. Jazz fernab angestrengter Novitätensucht und Nachplapperei. Genau das, was dieser Stadt so lange fehlte. Die einstündige Hommage an den Berliner Club-Jazz gibt es nur bei guten CD-Dealern. Testen Sie doch einfach, welches Etikett Ihr Laden verdient. Ach so, der Titel? Ey, ich bitt' Sie! Christian Broecking

Felix Wahnshuffle Trio: „Blues Against Racism“, Bellaphon – CDLR 45 087

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen