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Village VoiceHellrötlich bis graubraun

■ Naturlyrisches von Käthe Kruse und Wolfgang Müller

„Le Sexe Rouge“, die neue CD der Kreuzberger Künstlerin Käthe Kruse (Tödliche Doris), irritiert einen seltsam. Die Stücke sind recht ähnlich aufgebaut: minimalistischer Klingklang: Einstimmenchor im Hintergrund, der manchmal in höchste Höhen abdriftet, ein Sprechgesang, der meist sehr bedeutungsvoll daherkommt. Eher Lyrik als Pop. Manchmal ein bißchen Liebe – „Vor seinem Leib hab' ich geleckt“ – manchmal nur Worte, die sich bedeutungsentleert aneinander reiben. Von „A wie / Angst, Armut, Arbeitslosigkeit“ über „W wie / Wut, Wahnsinn, Weltwirtschaftsforum“ bis zu „Z wie / Zeit, Zensur, Zukunftsaussichten“ („Alphabet des Augenblicks“).

Manchmal entsteht so ein provozierendes Pathos der Bedeutungsleere, manchmal ein Lied wie „Zatteltracht im Zauberwald“, dessen merkwürdige Naturlyrik, die sich an komisch klingende Baum- und Pflanzennamen von A bis Z und den dazugehörigen botanischen Beschreibungen berauscht, seltsam melancholisch stimmt: „Vom Affenbrotbaum / mit seinem dicken Stamm / den waagerecht ausladenden Ästen / nehme ich mir / die gurkenförmige Baobaofrucht (...) antophyll, gelblich bis bräunlich / dein Farbstoff – / es ist Herbst / und ich denke an meine Eltern (...) Ysop, schöner Lippenblütler / blau, auch rosafarben / lustlos, müde war ich vor dir – / energisch schreite ich fort / Zeder, hellrötlich bis graubraun / unregelmäßig deine Krone ausgebreitet – / steif, dreikantig, aufrecht stehend deine Nadeln / dein Holz duftet zauberhaft / ich verzehre mich.“

Die Musik schrieb Tödliche- Doris-Mitstreiter Wolfgang Müller, der sich in den letzten Jahren vor allem auf Island, Blaumeisen, Elfenkongresse, die FDP und solche Dinge spezialisiert hatte und ununterbrochen über seine TV-Auftritte bei Fernsehpfarrer Fliege und dem „schmierigen“ Jürgen von der Lippe zu erzählen pflegt. Sein Bruder, Ma Müller von der Band Mutter, saß an der Technik; der Kasseler Gitarrist und Verleger Martin Schmitz, in dessen Verlag das großartigste Buch des Jahres – „Autobigophonie“ von Françoise Cactus – erschien, singt auch mal im Chor.

Käthe Kruse gebraucht die Sprache als völlig unironisches Material; die Wörter sind zugleich Papier und Klang und zitieren doch Natur, geschlechtliche Körper und widersprüchliche Farben. „Le Sexe Rouge ist ein Berg / Der Berg ist ein Teil / der Schweizer Alpen“ und 2.940 Meter hoch. „Le Sexe Rouge“ klingt wie Kunstmusik mit guten Texten, würde man sagen, wenn das nicht wie eine dreifache Beleidigung klänge. Detlef Kuhlbrodt

Käthe Kruse: „Le Sexe Rouge“ (Die Tödliche Doris Schallplatten)

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