Vietnamesen in Deutschland: KP macht Druck
Rund 100.000 Vietnamesen leben in Deutschland. Sie transferieren Milliarden in ihre Heimat. Vietnam will auch die hier lebenden Kinder der Auswanderer an sich binden.
BERLIN taz | Vietnam hat im vergangenen Herbst einen vietnamesischstämmigen Deutschen bei einem Familienbesuch verhaftet. Das wurde jetzt bekannt. Ihm wird zur Last gelegt, in Deutschland an einer politischen Demo teilgenommen zu haben, die sich gegen die Hanoier Regierung richtete.
Das Auswärtige Amt bestätigt die Verhaftung, äußert sich aber nicht zu den Gründen - aus "Persönlichkeitsrechten des Mannes", wie es heißt.
Den Angaben des Mannes zufolge haben die vietnamesischen Behörden die deutsche Botschaft von Amts wegen nicht unterrichtet, wie es den internationalen Gepflogenheiten eigentlich entsprochen hätte.
Das ist kein Wunder, denn die vietnamesische Regierung sieht ihre ehemaligen Staatsbürger als "ihr" Klientel an. Ähnlich etwa wie die Türkei, die sogar ein eigenes Ministerium für Türken im Ausland unterhält.
Vor fünf Jahren beschloss die Kommunistische Partei Vietnams, sich ihren 2,7 Millionen im Ausland lebenden Staatsbürgern und ehemaligen Staatsbürgern "speziell zuzuwenden". Rund 100.000 leben in Deutschland. Ziel ist, die Kaufkraft der Auslandsvietnamesen abzuschöpfen und auf internationalem Parkett politische Statements zu erlangen, die die Politik der Partei unterstützen.
Das Personal der Auslandsvertretungen wurde aufgestockt. In Deutschland küren Diplomaten jetzt etwa regelmäßig die "Miss Vietnam Germany". Solche Veranstaltungen kommen an. Dort werden fleißig Spendengelder für Vietnam gesammelt. Und wer in der Community einen guten Namen haben will, zückt die Geldbörse.
Regelmäßig lassen sich Diplomaten in vietnamesischen Vereinen und Asiamärkten feiern. Sie sind so präsent, dass bei vielen Landsleuten der Eindruck entsteht, die Märkte und Vereine seien vietnamesisches Hoheitsgebiet mitten in Deutschland. Als ein Vietnamese vor einigen Jahren eine Schutzgelderpressung in einem Berliner Asiamarkt anzeigen wollte, ging er nicht zur deutschen Polizei, sondern zur Botschaft.
Nach offiziellen vietnamesischen Angaben transferieren Auslandsvietnamesen pro Jahr 3,8 Milliarden Dollar als Hilfe für ihre Familien in die Heimat. Der Regierung in Hanoi fürchtet nun, dass die Gelder zurückgehen, insbesondere dann, wenn die Vietnamesen in ihren Aufnahmeländern gut integriert sind. Da lässt man sich einiges einfallen, um die in Deutschland gut integrierten Kinder der Auswanderer an Vietnam zu binden: Für sie werden Kinderferienlager organisiert, wo sie Vietnamesisch sprechen können.
Ihnen wird aber auch in politischen Veranstaltungen erklärt, dass Vietnam ihre "eigentliche" Heimat sei. Ziel ist, sie nach erfolgreich abgeschlossenem Studium an einer deutschen Universität nach Vietnam zurückzuschicken, dort sollen sie Führungspositionen in der Wirtschaft einnehmen.
Ein in Hanoi eigens für Auslandsvietnamesen produzierter Fernsehsender VTV4 sorgt rund um die Uhr für Unterhaltung und Information. "Das Programm wird in vielen Familien als einziges geschaut. Es sorgt dafür, dass die erste Auswanderungsgeneration politisch, kulturell und wertemäßig in Vietnam verhaftet bleibt", sagt Tamara Hentschel vom Berliner Verein Reistrommel.
Kommen hochrangige Politiker zu offiziellen Besuchen nach Deutschland, so steht immer eine Begegnung mit vietnamesischen Vereinen auf dem Programm, wo Vietnams Politik erklärt wird. Als die Vizepräsidentin Troung My Hoa vor drei Jahren in Berlin weilte, war sie auch Gast in einem Asiamarkt: Zu diesem Anlass war der Markt mit vietnamesischen Staatsflaggen, Luftballons und Ho-Chi-Minh-Bildern geschmückt.
Zu einem Festakt anlässlich des 30-jährigen Bestehens der deutsch-vietnamesischen diplomatischen Beziehungen im Jahr 2005 verwehrte die vietnamesische Botschaft der vietnamesischstämmigen SPD-Politikerin Thuy Nonnemann den Zutritt. Sie engagiert sich für die Integration ihrer Landsleute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs