■ Viertagewoche und Aids-Blutskandal: Der PVQ der Woche
Preisfrage: Was haben Viertagewoche und Aids- Blutskandal miteinander zu tun? Nichts, außer dem einen: Beide tragen den höchsten Politikversagens- Quotienten (PVQ) der vergangenen Woche. Nächste Woche werden es andere Themen sein. In zuverlässiger Regelmäßigkeit, aber gleichsam heimtückischer Unberechenbarkeit fliegen uns die Probleme und Skandale um die Ohren. Kein Land, das von der Politik gestaltet wird, sondern ein Terrain voller Tretminen und Fallen, böswillig und hinterlistig allein zum Hineinstolpern von überraschten Politikern aufgestellt.
Nehmen wir den Politikversagens-Spitzenreiter Nr. 1 den „Blutskandal“. Durch eigene Ungeschicktheit inszeniert der zuständige Minister den Skandal höchstselbst. (Normalerweise tragen erst die Medien das Problem nach Bonn). Was seit Jahren bekannt war, wird erst durch den Skandal zum Gegenstand. Plötzlich gibt es Festnahmen und Beschlagnahmungen in Pharmaunternehmen, plötzlich entdeckt ein rheinland-pfälzischer Gesundheitsminister, daß
jahrelang „kriminelles Handeln und unglaubliche
Geschäftemacherei“ unweit seiner Haustür regier-
ten.
Schauen wir auf PVQ Nr. 2, die Viertagewoche: Gerade reitet die Bundesregierung durchs Land, den Unertanen die Peitsche zu zeigen. Zu faul ist das Volk. Um das sonnige Plätzchen am Standort Deutschland zu bewahren, muß mehr gearbeitet werden, am Wochenende, am Abend, am besten bis ins hohe Rentenalter. Und dann kommen die lieben Freunde und Trinkbrüder aus der Industrie und werfen die gerade verkündete Losung „ohne größeren Fleiß alles Scheiß“ einfach über Bord.
Nicht mehr, sondern weniger muß gearbeitet werden, um den sozialen Frieden zu wahren. Kürzere Arbeitszeiten gelten plötzlich als durchaus diskutable beschäftigungspolitische Überlegung und auch die SPD läßt sich zu einem gequälten „Ja, aber“ herab. Nur warum, bitte schön, muß erst eine absturzgefährdete Industriebranche mit diesem Vorschlag kommen? Warum müssen Manager Konzepte zur Abfederung der Massenarbeitslosigkeit entwerfen, wo die Politik bisher nur den harten Aufprall predigt, den sie mit Kürzungen beim Arbeitslosgeld und Sozialhilfe auch noch schmerzhafter machen will? Warum trauten sich die selbsternannten Gralshüter des Sozialstaates, die Sozialdemokraten, nie ernsthaft an die Debatte, daß gerechte Arbeitsverteilung und soziale Verantwortung auch Lohnverzicht bedeuten können? Den Herren in den Konzernetagen, die eigentlich andere Aufgaben haben, gelingt die Themensetzung innerhalb von Tagen.
Jetzt stehen die Politiker wieder wie kleinen Schuljungs da, die die Hausaufgaben nicht gemacht haben. Die Hände vors Gesicht geschlagen, in der Hoffnung, daß der alte Kindertrick noch funktioniert: Augen zuhalten, damit man selber nicht gesehen wird und das nächste Woche lauernde Unglück gnädig vorüberzieht. Vera Gaserow
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