Vier Tote beim Wohnungsbrand: Familie im Dunkeln
Weil ihr Strom abgedreht wurde, zündete in Saarbrücken eine Romafamilie Kerzen an. Daraus entstand ein Brand, bei dem vier Kinder starben. Wie kam es soweit?
WIESBADEN taz | Das Feuer brach am frühen Freitagmorgen vergangener Woche in der Dachgeschosswohnung eines Hauses in Saarbrücken aus. Während die Eltern und ein Säugling von der Feuerwehr über eine Drehleiter gerettet werden konnten, kam für vier Kinder – ein fünf und ein sieben Jahre altes Mädchen sowie drei Jahre alte Zwillingsbrüder – jede Hilfe zu spät.
Sie starben an einer Rauchgasvergiftung. Eine Anzeige der Eltern wegen unterlassener Hilfeleistung wird wohl im Sande verlaufen. Die Feuerwehr habe getan, was sie tun konnte. Ein Nachspiel wird die Tragödie dennoch haben.
Ursache für den Brand war nach Meinung der Experten ein Teller mit den Resten einer Kerze. Mit dieser improvisierten Lichtquelle musste sich die Romafamilie behelfen, nachdem ihnen kurz zuvor vom Versorger der Strom abgestellt worden war.
Nach Angaben von Energie Saarlorlux habe es mehrere Versuche gegeben, die Familie wegen ausstehender Rechnungen zu kontaktieren. Ein Sprecher des Unternehmens betonte, in ähnlichen Fällen weise man „auch in eigenem Interesse“ immer auf die entsprechenden Beratungsangebote der Sozialbehörden hin. Darüber hinaus gilt Saarlorlux als äußert kulant, was Fristen und Stundungen offener Rechnungen angeht.
Wie aber kann es sein, dass eine siebenköpfige Familie ohne Strom im Dunkeln sitzen muss? Es kann eigentlich nicht sein, wie eine Sprecherin des Sozialamts in Saarbrücken der taz erklärte: „Wenn der Strom abgestellt wird, können die Betroffenen üblicherweise ein Darlehen zur Begleichung der Kosten beantragen.“ Ein solches Darlehen würde routinemäßig gewährt – sofern es der Behörde vorliege.
Die Rückzahlung könne hinausgezögert werden, bis die Familie wieder ein eigenes Einkommen hat. Die Initiative dazu müsse aber von den Betroffenen selbst kommen, da der Stromanbieter nicht verpflichtet ist, die Behörden über Zahlungsschwierigkeiten seiner Kunden zu informieren.
Niemand wusste bescheid
Tatsächlich habe die Familie noch einen Tag, bevor der Strom gesperrt wurde, Besuch von einer Mitarbeiterin des Jugendamts bekommen, das Problem aber verschwiegen. Und noch am Tag der Sperrung habe der Vater mit dem Anbieter telefoniert – allerdings ohne auf seine Notsituation hinzuweisen oder seine fünf Kinder zu erwähnen.
Über die Gründe kann nur spekuliert werden, aber womöglich spielten Sprachschwierigkeiten und kulturelle Hemmungen eine Rolle. Fazit: Niemand wusste von etwas, am wenigsten die Betroffenen selbst, denen schon im Vorfeld hätte geholfen werden können.
Während sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) „tief betroffen“ von der Katastrophe zeigte, will nun ihre Verbraucherschutzministerin Anke Rehlinger (SPD) das Problem an der Wurzel angehen und eine gesellschaftliche Debatte darüber anstoßen, wie „die Bereitstellung von Strom als Teil der Grundversorgung“ gewährleistet werden kann. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte der taz: „Es muss versucht werden, Alternativen für Stromsperrungen zu finden, gerade um die Schwachen zu schützen.“ Das Abstellen der Versorgung könne nur die „Ultima Ratio“ sein.
Rehlinger will deshalb auf der Konferenz der Verbraucherschutzminister am 12. September in Hamburg über Lösungen beraten. Im Gespräch ist „eine Definition besonders schutzbedürftiger Kunden“ sowie „eine Pflicht der Energieversorgungsunternehmen, vor einer Sperre die Sozialbehörden zu informieren“.
Sollte sich die Konferenz – etwa wegen Fragen des Datenschutzes – nicht einigen können, strebt Rehlinger im Saarland einen Alleingang an. Denkbar wäre unter anderem auch eine technische Lösung, wie sie derzeit als Pilotprojekt in Köln praktiziert wird. Dort wird schutzbedürftigen Kunden, die nicht zahlen können, der Strom nicht abgedreht, sondern nur beschränkt. Und wo eine Mindestmenge immer zur Verfügung steht, muss keine Kerze entzündet werden.
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