Vier Thesen zum Ölpreis: Wer ist schuld?
Der Ölpreis sinkt und sinkt – warum? Verdächtigt werden: die Saudis, die Amis, eine Weltverschwörung gegen das Klima und lange Wellen.
These 1
Die Saudis sind schuld am niedrigen Ölpreis. Sie weigern sich, ihre Förderung zu senken, weil sie die Konkurrenz der US-Frackingindustrie vernichten wollen. Und den verhassten Iran gleich mit.
Wenig plausibel: Dahinter steckt das alte Bild vom verschlagenen Ölscheich, der „mit unserem Öl“ seine Spielchen treibt und der nach Belieben Preise und Märkte manipuliert. Fakt ist: Saudi-Arabien fördert seit Jahren relativ konstant. Inzwischen leidet das Land selbst massiv unter dem niedrigen Ölpreis, die politische Stabilität im Land steht auf der Kippe. Förderabsenkungen und -erhöhungen sind zudem nicht beliebig machbar. Dies wird immer schwieriger, weil der Druck in den alten Ölfeldern sinkt und durch ständige Infusionen von Wasser, Gas, Dampf und Chemikalien künstlich aufrecht erhalten werden muss. Vergessen wir nicht, dass Ghawar, das größte Erdölfeld Saudi-Arabiens und der Welt, bereits seit mehr als 60 Jahren ausgepumpt wird.
These 2
Der Ölpreis wurde abgesenkt, um die weltweite Energiewende zu verhindern.
Verschwörungstheoretischer Blödsinn. Wer sollen denn die Akteure sein, die die Energiewende verhindern? Viele Ölförderländer investieren doch selbst in Sonne, Wind und Co. Dass deren Siegeszug nicht aufzuhalten ist, hat selbst die Atomindustrie begriffen. Und wer, bitte schön, hat die Macht, mal eben den Ölpreis zu pulverisieren? Die weltgrößten Volkswirtschaften, USA und China, sind inzwischen die größten Investoren in erneuerbare Energien.
These 3
Die USA wollen mit dem Niedrigpreis ihre Wirtschaft und die Autoindustrie ankurbeln.
Wenig plausibel. Die USA schaden sich nämlich selbst. Das Land steuert auf eine gigantische Pleitewelle der Frackingindustrie zu. Wenn die Blase platzt, werden auch die Banken gewaltige Probleme bekommen. Konventionelle Ölkonzerne leiden auch. Die Vorstellung, dass sich die Frackingindustrie politisch gezielt so steuern ließe, dass sie zuerst ein Überangebot am Markt schafft und so den Ölpreis in den Keller drückt, um anschließend durch den Preisverfall sich selbst ökonomisch zu vernichten, klingt wiederum höchst abenteuerlich. Zudem senkt der niedrige Ölpreis die Investitionen und bringt langfristige Versorgungsprobleme am Ölmarkt, unter denen vor allem die USA leiden werden. Fakt ist aber, dass die US-Fracker durch die dem Kapitalismus innewohnende gierige Ausweitung der Förderung für ein vorübergehendes Überangebot am Ölmarkt gesorgt haben.
Die Menschheit hat ein Gewaltproblem. Kann man das ändern, wenn man den Nachwuchs entsprechend erzieht? Lesen Sie mehr darüber in der taz.am wochenende vom 13./14. Januar 2016. Außerdem: Ryan Gattis hat einen genau recherchierten Roman über die L.A. Riots geschrieben – "In den Straßen die Wut". Und: Batumi in Georgien ist eine absurde Stadt, besonders im Winter. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
These 4
Die langen Wellen sind schuld. Nach einer Phase hoher Ölpreise kommt naturgesetzlich eine Billigphase.
Plausibel, aber nicht ausreichend. Die lange Phase stabil hoher Ölpreise hat tatsächlich die Investitionen in die Exploration erhöht. Es lohnte sich, auch in aufwendige unkonventionelle Lagerstätten zu investieren – auch in Fracking. Das hat zu einem Überangebot an den Märkten geführt. Doch der ungeheuer rapide Preissturz lässt sich so nicht erklären. Zudem gab es in der Vergangenheit immer wieder rasante Ausschläge nach oben und unten, die eher politischer und spekulativer Natur waren. Die Wellentheorie ist aber zumindest eine vernünftige Basistheorie, auf der man andere Einflüsse draufsatteln kann – etwa, dass alle pumpen wie verrückt, um die Verluste durch den niedrigen Preis auszugleichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland