■ Vielfalt à la Merci: Medienfrontstadt
Gestern mittag im Abgeordnetenhaus. Im Raum 376 tagt der Ausschuß für Medienfragen. Leute, die die künftige Rundfunkpolitik der „Hauptstadt“ bestimmen. Experten, wie man meinen möchte. Tatsächlich aber vertreibt sich hier eine Runde von Schnarchtüten mit Parteigeplänkel die Zeit. Ein Herr von der CDU hat mal ein paar TV-Krimis geguckt: Es gebe da eine „Verrohung des Fernsehprogramms“, die „Gesellschaft stumpft ab“.
Aber man beschäftigt sich auch mit höheren Dingen. Während ein Senatsangestellter sein Teewägelchen ums Tische-Karee schiebt, findet eine Anhörung statt. Der Direktor der Medienanstalt Berlin und Brandenburg, Hans Hege, spricht auf Antrag der Grünen über das Thema „Medien-Monopoly in der Hauptstadt: Wie gefährdet ist die Meinungs- und Medienvielfalt in Berlin?“ Ausführlich referiert der Kommerzfunk-Kontrolletti allgemeine Probleme der bundesdeutschen Medienpolitik von Kirch bis Bertelsmann. Eben alles, was man so in den Zeitungen lesen konnte.
Die Abgeordneten sind's zufrieden. Eine kleine Fortbildungsveranstaltung nimmt man gerne mit. So wie sie nachfragen, scheinen sie's bitter nötig zu haben. Eher beiläufig kommt man schließlich doch noch auf Berlin zu sprechen. Hege meint, es gebe hier „ein ziemlich großes Maß an Vielfalt“. (Die von Merci?) Der Mann hört und sieht wohl die Radio- und Fernsehsender nicht, die er dauernd lizensiert. Stumpfe Spitzenprogramme wie RTL, Energy, Hundert,6, JFK, r.s. 2 und 1 A.
Doch Heges Ausführungen gehen glatt durch. Grotesk, wenn man sich vorstellt, daß die Berliner Medienkleingärtner bald über die Neufassung des Rundfunkstaatsvertrags mitdiskutieren sollen. Ein Gesetzeswerk, das für die künftige Medienlandschaft in der Bundesrepublik bestimmend sein wird. Martin Muser
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