VfB Stuttgart gegen VfL Wolfsburg: Meister werden mit Metallica
Nach dem erstaunlich souveränen 4:1 gegen den Tabellenführer VfL Wolfsburg, bei dem Mario Gomez vier Tore erzielt, wähnt sich Stuttgart auf einem Weg wie im Überraschungsjahr 2007.
Meister werden mit Metallica
VfB Stuttgart: Lehmann - Träsch, Boulahrouz, Niedermeier, Magnin - Khedira (83. Simak), Hitzlsperger - Hilbert, Gebhart (46. Lanig) - Gomez (79. Marica), Cacau
VfL Wolfsburg: Benaglio - Pekarik (73. Okubo), Simunek, Barzagli, Schäfer - Josué - Riether (39. Zaccardo), Gentner - Misimovic (37. Dejagah) - Grafite, Dzeko
Zuschauer: 55.700 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Gomez (1.), 2:0 Gomez (20.), 2:1 Dzeko (36.), 3:1 Gomez (63.), 4:1 Gomez (77.)
AUS STUTTGART
So locker die Stimmung in Stuttgart nach dem 4:1 erscheint, so explosiv ist sie in Wolfsburg. Dort spürt der Spitzenreiter die Last des Erfolges, zeigt Nerven und leidet mehr unter dem baldigen Abgang von Trainer Felix Magath zum FC Schalke, als man zugeben möchte. Für viele ist nun Magath der Schuldige, weil mit einem Schlag der Vorsprung in der Tabelle dahinschmolz und nun nur noch aus zwei Toren vor dem Zweiten Bayern München besteht. Und der Spitzenreiter spürt nach der Niederlage, bei der Mario Gomez alle vier Stuttgarter Tore erzielte, den Atem der Verfolger. Trotzdem witzelte Magath: "Ich könnte den Trainer höchstens selbst entlassen."
Denn Magath ist auch Geschäftsführer und Manager in Wolfsburg. Im Falle einer Niederlage gegen Hoffenheim vergangene Woche, das drang aus dem VfL-Aufsichtsrat nach außen, wäre Magath sofort entlassen worden. Nach der ernüchternden Pleite von Stuttgart ist das kein Thema mehr. Die Parteien müssen sich auf der Zielgeraden notgedrungen arrangieren. Aber in Wolfsburg hängen schon Plakate wie das an der Brücke über der Braunschweiger Straße: "Magath, du Söldner, hau ab!"
Mit bangem Blick schaut man deshalb beim VfL zum Spiel am Dienstag gegen Borussia Dortmund. Nur mit einem Sieg kann Magath die Wolfsburger Fans besänftigen. Dem Klub könnte das gelingen, wenn er schnell einen neuen Trainer präsentiert. Thomas Schaaf aus Bremen aber wird es nicht sein. "Er steht nicht im Fokus unserer Suche", sagte VfL-Geschäftsführer Jürgen Marbach. Und aus Bremen meldet Manager Klaus Allofs: "Wir arbeiten seit zehn Jahren zusammen, und das wird so bleiben. Thomas Schaaf hat bei uns noch ein Jahr Vertrag, und nach einem Gespräch mit Schaaf kann ich sagen, es muss sich keiner Sorgen machen." In Wolfsburg aber wachsen die derzeit in den Himmel. In Stuttgart wollte dem passionierten Pfefferminzteetrinker Felix Magath nicht einmal mehr der Tee schmecken. Er ließ die Tasse unangetastet. "Wir werden am Dienstag sehen, ob uns das etwas ausmacht", sagte Christian Gentner.
Schon in Stuttgart schien das der Fall. Wolfsburg leistete sich schwere Abwehrpatzer und ließ sich teilweise sogar vorführen. Eine Viertelstunde vor der Pause gab es so etwas wie eine Aufholjagd, der Rest ging im Spielrausch der Stuttgarter unter, die zudem einen Mario Gomez hatten, den niemand halten konnte.
Nach seinen vier Toren ließ es sich sogar ertragen, dass es im Leben von Gomez vermutlich schon Sonntage gab, die entspannter abliefen. Diesmal musste die Fahrt heim zu Eltern und Freundin nach Unlingen am Fuße der Schwäbischen Alb warten. Gomez lag auf der Massagebank und saß auf dem Fahrradergometer. Man pflegte seine schmerzende Wade. Anschließend musste der Vier-Tore-Mann mit dem Rest der Tabellenführer-Bezwinger zum "Familientag" des Hauptsponors erscheinen. In Bad Cannstatt ging es zu wie im Stadion. Es herrschte Volksfeststimmung. Die schwäbischen Anhänger zeigten mit Meisterschalen aus Pappe deutlich, wonach ihnen der Sinn steht. Seit Wochen fühlt man sich am Neckar ans Meisterjahr 2007 erinnert, als der VfB als Außenseiter zum Titel stürmte.
Ganz andere Parallelen zog Teamchef Markus Babbel. Der hatte den Sieg am Abend mit einem "gelungenen Abend" beim Konzert von Metallica begangen und festgestellt, die Metal-Band habe "gespielt wie wir". Tatsächlich sind weder Metallica noch der VfB des Jahres 2009 noch Außenseiter, aber die Schwaben haben die Lockerheit von damals zurück. Und die guten Nachrichten reißen nicht ab. Babbel verlängerte bis 2011, und die Verhandlungen mit Manager Horst Heldt, der in den Vorstand aufrücken soll, sind so weit gediehen, dass vermeldet werden kann, er bleibt beim VfB.
Ob das am Ende reicht, Gomez zu halten, der den Wolfsburger Grafite an der Spitze der Torjägerliste einholte, bleibt fraglich. "Ach, der Gomez ist immer auf dem Schirm bei anderen Vereinen", sagte Manager Heldt. Gomez hat klargestellt: "Ich werde mich im Sommer entscheiden." Mit seinen vier Treffern hat Gomez aber nicht nur dem FC Bayern die Titelchance gewahrt, er hat sich für Uli Hoeneß noch interessanter gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut