■ VfB – Dresden: Christoph Daums Selbstläuterung
Berlin (taz) — Daß es mit der Kenntnis der Fußballregeln hierzulande nicht zum besten steht, davon weiß nicht nur VfB-Trainer Christoph Daum ein Lied zu singen. Auch die Spieler scheinen es kaum für nötig zu erachten, sich die neuesten Bestimmungen durchzulesen. Daß es für Notbremsen die rote Karte gibt, haben die meisten inzwischen gemerkt, bei der gelb-roten Karte – Platzverweis also für zwei minder schwere Fouls – herrscht schon Begriffsstutzigkeit, vorbeigegangen an den Kickern ist die neue Handspielregel. Immer wieder wird versucht, Tore mit der Hand zu verhindern, neuerdings nicht nur Elfmeter, sondern auch ein unweigerlicher Feldverweis. Meist mißlingt die Freveltat, drum blieben die Sünder bislang ungeschoren. Den Dresdner Spezialisten für rote Karten aller Art war es nun vorbehalten, für die Anwendung der Regel zu sorgen. In der 14. Minute stoppte Dynamos Miroslaw Stevic den Ball auf der Linie per Hand und brachte sein Team beim VfB Stuttgart damit in eine hoffnungslose Lage: 0:1 durch Walters Strafstoß und Platzverweis für Stevic.
Für den angeschlagenen Christoph Daum war die Tat seines regelunkundigen Bruders im Geiste ein wahrer Segen. Das Gespenst eines Heimdebakels, das ihn endgültig ins Abseits gestellt hätte, war gebannt, am Ende gab es einen komfortablen 4:0-Sieg der Schwaben. Bereits vor dem Match hatte Daum in seiner Not zum Mittel der Selbstläuterung gegriffen und seinen Spielern das Sündenbockmäntelchen umgehängt. Schäfer und Frontzeck mußten auf die Strafbank, und Daums Mitwisser beim Auswechselvergehen von Leeds, Manager Dieter Hoeneß, drohte: „Es kann noch manchen Etablierten treffen.“ „Es gibt keine Erbhöfe mehr“, verkündete der Trainer selbst. Also waren sie doch schuld am Europacup-Desaster, die bösen Spieler, wiewohl sie gegen Leeds doch eigentlich weitergekommen waren.
Dafür hatte Daum einen leicht mysteriösen Trost für seine ersten Opfer Frontzeck und Schäfer: „Das war personenunabhängig.“ Will sagen, es hätte also genausogut den Platzwart oder den Zeugwart treffen können.
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