: Verzerrtes Bild
■ betr.: "Kein Präsident ist vollkommen", taz vom 16.8.90
betr.: „Kein Präsident ist vollkommen“ (Corazon Aquino versteht sich als philippinische Übergangspräsidentin), taz vom 16.8.90
Als wir die taz aufschlugen und das Interview mit Corazon Aquino lasen, dachten wir, wir hätten die falsche Zeitung in der Hand. Entsetzt waren wir über dieses unkritische Interview, das so auch von der philippinischen Botschaft stammen könnte und ein verzerrtes Bild über die philippinische Realität abgibt. (...) Zu den unkritischen Fragestellungen und lapidaren Antworten des Interviews bedarf es der Richtigstellung. (...)
Der totale Krieg gegen die New People's Army (NPA), von dem Aquino spricht, ist in Wahrheit ein Krieg gegen die arme Bevölkerung. Hinrichtungen und Folterungen, Vertreibungen und Bombardierungen der Zivilbevölkerung sind an der Tagesordnung.
Menschenrechte: Dazu wird im letzten Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung aus den Philippinen festgestellt, daß Gewalttätigkeiten und brutale Menschenrechtsverletzungen eskalieren und auch die der Marcoszeit übertreffen. Aus Berichten von amnesty international und anderen internationalen Menschenrechtsorganisationen geht hervor, daß Menschen, die ihre sozialen Rechte einfordern, als Staatsfeinde betrachtet und häufig ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis gesteckt oder umgebracht werden. Hingegen gehen Militärs, die foltern und hinrichten, straffrei aus.
Agrarreform: Jeder, der mit der philippinischen Realität vertraut ist, weiß, daß die hochgepriesene, angeblich „umfassende Landreform“ nur eine Farce ist. Faktisch führen die Großgrundbesitzer die Landreform auf ihre Weise durch: Im Mai dieses Jahres wurden im Norden der Bondoc Halbinsel tausende Familien von Privatarmeen von ihrem Land vertrieben und ihre Häuser mit Motorsägen zerstört.
C. Aquino als „weibliches Vorbild“: Nachdenklich hat uns der Ausspruch von Frau Aquino gemacht: „Ich glaube bewiesen zu haben, daß eine Filippina als Präsidentin von 63 Millionen Menschen nicht ihre Weiblichkeit verlieren muß.“ Bedeutet für sie „vorbildliche Weiblichkeit“ etwa die Abhängigkeit von der US-amerikanischen Regierung, dem IWF und dem von Machos beherrschten Militärapparat? Die philippinischen Frauen, die um zu überleben, sich US -amerikanischen Militärs als Prostituierte verkaufen müssen, teilen die Auffassung von Weiblichkeit mit Sicherheit nicht. Frauen, wie zum Beispiel Gabriela Silang, die für die Befreiung des philippinischen Volkes gekämpft und ihr Leben gelassen hat, sind eher ein Vorbild für die philippinischen Frauen als Frau Aquino.
Demokratisches System, unabhängige Justiz und Gesetzgebung: Ist es demokratisch, wenn der oberste philippinische Gerichtshof, die demokratischen Grundrechte, die in der geltenden Verfassung verankert sind, mit einem Schlag aufhebt, indem er beschließt, daß die Polizei und das Militär jeden, der wegen Subversion verdächtigt wird, ohne Haftbefehl verhaften kann? (...)
Philippinengruppe, Köln
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