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Verwirrspiel in Ungarn

■ Widersprüchliche Wahlbündnisse für Stichwahlen vereinbart

Budapest (adn) - Am Wochenende gingen in Budapest die Vorbereitungen für die Stichwahlen am nächsten Sonntag in die entscheidende Phase. Freitagabend entschieden die Vorstände der im neuen Parlament vertretenen christlich -konservativen Parteien, für die Stichwahl ein Bündnis einzugehen.

Die bereits feststehende Koalition zwischen dem Ungarischen Demokratischen Forum (MDF) und der Christlich-Demokratischen Volkspartei wurde um die aus dem ersten Wahlgang als drittstärkste politische Kraft hervorgegangene Partei der Kleinen Landwirte (FDgP) ergänzt. Die eigentliche Überraschung barg jedoch die Formulierung, daß auf regionaler Ebene vereinbarte Wahlbündnisse mit Parteien außerhalb der Koalition ihre Gültigkeit verlieren. Alle drei Parteien hatten noch wenige Tage zuvor einmütig erklärt, demokratisch und nicht „bolschewistisch-zentralistisch“ zu funktionieren, und deshalb den örtlichen Organisationen die konkrete Entscheidung zu überlassen.

Am Sonnabend trafen dann auch prompt vier von 20 Bezirksverbänden der FDgP Absprachen mit dem ursprünglichen politischen Hauptgegner MDF. Darüber hinaus wurde in mehreren Wahlkreisen anderer Bezirke ein Zusammengehen ohne das MDF vereinbart. Das Verwirrspiel der vielen Bündnisse macht die Entscheidung für die Wähler nicht leicht. Kommt es in der Mehrzahl der 171 Wahlkreise tatsächlich zur konservativen Koalition, gehen MDF und dessen Vorsitzender Jozsef Antall als dann designierter Regierungschef als große Gewinner aus den ersten Mehrparteienwahlen in Ungarn seit 43 Jahren hervor.

Die ohne Koalitionschancen agierende Prominenz der noch regierenden Sozialistischen Partei kämpft ihrerseits mit sehr unterschiedlichen Methoden. Während der bereits gewählte Miklos Nemeth versicherte, als Abgeordneter nicht den Interessen einer Partei zu dienen, bediente sich Außenministerin Gyula Horn am Sonnabend der Schützenhilfe von Interimspräsident Matyas Szürös, der auf der Wahlkundgebung seines langjährigen Freundes zu dessen Unterstützung auftrat.

Der nicht weniger prominente Imre Pozsgay zog kampflos seine Kandidatur zurück. Nach der ersten Runde auf Platz drei in seinem Wahlkreis liegend, sah er keine Chance, gegen den führenden Kandidaten von den Jungen Demokraten zu siegen. Seinen Parlamentssitz hat er ohnehin sicher, denn auf der Landesliste der USP steht er auf dem ersten Platz.

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