Verwertung: Gutes Geld statt guter Zweck
Altkleidercontainer ohne Genehmigung stehen allerorten. Die Behörden sind im Kampf gegen die mafiös anmutende Branche überfordert.
Sie sind an fast jeder Ecke zu finden. Allein in Pankow stehen 466 Altkleidercontainer ohne Genehmigung auf öffentlichem Gelände, so eine Zählung des Pankower Ordnungsamtes. 2012 forderte die Bezirksverordnetenversammlung die Behörde dazu auf, nicht genehmigte Sammelbehälter zu entfernen. Jetzt, zwei Jahre später, macht Pankow ernst: „Wir wollen die Containerflut eindämmen“, sagt Torsten Kühne (CDU), Bezirksstadtrat für Verbraucherschutz. Bis zu einer gesetzten Frist müssen die jeweiligen Aufsteller die Stellplätze räumen. Geschieht dies nicht, zieht der Bezirk die Container ein. Nur gegen eine Gebühr von etwa 140 Euro erhalten die Unternehmen ihre Container zurück. Sonst werden diese versteigert oder beispielsweise an die BSR verkauft.
Das Aufstellen von Altkleidercontainern ist neben gemeinnützigen Organisationen auch kommerziellen Anbietern gestattet. Die eingesammelte Kleidung wird entweder weiterverkauft oder in Reißereien verarbeitet und dient danach als Rohstoff. Mit ihm werden beispielsweise Putzlappen oder Dämmmaterial produziert.
Während Anbieter wie das Rote Kreuz den Erlös einem guten Zweck zuführen, stecken gewerbliche Aufsteller das Geld in die eigene Tasche – auch wenn auf ihren Containern häufig Bilder von bedürftigen Kindern prangen. Wer seine Kleider dort einwirft, tut entgegen der landläufigen Meinung nichts für den guten Zweck, sondern sorgt für klingelnde Kassen bei dubiosen Unternehmen. Geflechte von Briefkastenfirmen, nicht identifizierbare Anbieter, nomadenartige Wanderungen von Stadt zu Stadt – „das ist ein umkämpfter Markt mit mafiösen Strukturen“, so Kühne. Mehr als die Hälfte der gebrauchten Klamotten wird Branchenkreisen zufolge von gewerblichen Aufstellern gesammelt.
Die Zahl der Altkleidercontainer steigt von Jahr zu Jahr. Laut Branchenschätzungen sind es in Berlin derzeit etwa 10.000. Der Grund dafür ist, dass das Geschäft mit den Klamotten boomt. „Second-Hand-Ware ist ein begehrtes Gut auf dem Weltmarkt. Die Nachfrage ist gestiegen“, erklärt Thomas Ahlmann vom Verband FairWertung, der sich für mehr Transparenz beim Sammeln von gebrauchter Kleidung einsetzt. Das Verwaltungsgericht in Münster schätzt, dass ein einziger Sammelcontainer im Jahr bis zu 5.000 Euro einbringt. Private Aufsteller wittern das große Geld.
Der Großteil der gewerblichen Container besitzt für seine Standorte keine Genehmigung. Für die Bezirke noch viel schlimmer ist der Abfall, der mit den Behältern auf öffentliches Geländer kommt. „Um die Container herum bilden sich regelmäßig Müllhaufen, die Verkehr und Sicht behindern“, sagt Kühne. Dagegen wolle man nun vorgehen.
Doch die Behörden sind im Kampf gegen die Container überfordert. Die Hartnäckigkeit und Vielzahl der Firmen machen den Kampf der Bezirke gegen illegale Container zu einer Sisyphusarbeit. Manche ziehen einen beanstandeten Container ab, nur um ihn eine Ecke weiter wieder aufzustellen. Wird ein Stellplatz von einer Firma geräumt, schnappt sich ihn die nächste. Pankow braucht für dieses Katz- und Mausspiel einen langen Atem. Das weiß auch Torsten Kühne: „Das wird keine einmalige Aktion. Wenn wir fertig sind, werden wir gleich wieder von vorne anfangen können.“ Zusätzliches Personal steht Kühne dabei nicht zu Verfügung.
Die Sisyphusarbeit kann aber auch Früchte tragen. Davon ist man zumindest in Neukölln überzeugt. Dort ging der Bezirk 2011 gegen die nicht genehmigten Container vor. Eine Firma zog gegen den Bezirk vor Gericht – und verlor. Durch das Urteil gestärkt, hofft der Bezirk nun, einen rechtlich sauberen Weg zur Lösung des Containerproblems gefunden zu haben. Stadtrat Marc Schulte (SPD) ist zufrieden: Zwar müsse das Ordnungsamt weiterhin ausrücken, um nicht angemeldete Container zu beschlagnahmen, sagt er. Doch ihre Zahl gehe zurück.
In Tempelhof-Schöneberg wird über solchen Optimismus nur geschmunzelt. Dort sind Altkleidercontainer auf öffentlichem Gelände kategorisch verboten – trotzdem geht man von etwa 800 Containern auf den Straßen des Bezirks aus. „Wir sind nicht so erfolgreich, wie wir es gerne wären“, gesteht Stadtrat Oliver Schworck (SPD). Den Erfolg Neuköllns bezweifelt er. „Das sind alles verzweifelte Versuche, der Lage Herr zu werden.“ Für ihn bestünde die einzig praktikable Lösung darin, die Container direkt zu verschrotten und nicht durch den Verkauf wieder in den ewigen Kreislauf zu bringen.
Aber genau das geschieht derzeit in Pankow. Am vergangenen Freitag wurden dort die ersten neun Container versteigert. Die Begeisterung unter den Besuchern der Auktion hielt sich in Grenzen. Das Höchstgebot für einen Container: 30 Euro. Ein Bieter schnappte sich gleich mehrere Behälter. Er wolle die Kleidung bedürftigen Menschen zukommen lassen, behauptete er. Möglich ist aber auch, dass genau diese Container bald wieder auf Pankows Straßen stehen.
Noch dieses Jahr wollen sich Berlins Bezirksräte zusammensetzen. Dabei werden sie Erfahrungen und Konzepte im Kampf gegen die Containerflut austauschen, um nicht nur eine dauerhafte, sondern auch gemeinsame Lösung zu finden. Denn allzu oft ist des einen Freud des andern Leid: Beginnt ein Bezirk mit einer Offensive, wandern die Container häufig in den nächsten.
So könnte auch die Initiative Pankows nur eine Verschiebung des Problems bedeuten. Zwanzig Standorte hat der Bezirk nun festgelegt, an denen gebrauchte Kleider in Zukunft legal gesammelt werden dürfen. Gemeinnützige Anbieter sollen bei der Zulassung bevorzugt werden.
Die gewerblichen Aufsteller wird das allerdings nicht weiter stören: Sie können auf Privatgelände ausweichen, auf Parkplätze vor Häusern und Supermärkten. Dort steht ohnehin die große Mehrheit der Sammelbehälter – und dient ganz unbehelligt dem guten Geld statt dem guten Zweck.
■ Wer sichergehen will, dass seine Kleiderspende wirklich an eine gemeinnützige Organisation geht, kann bei FairWertung die Standorte von in der Nähe liegenden Abgabestellen abfragen:
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein