Verstärkte Zollkontrollen beginnen: Willkommen in Dänemark
Die Dänen haben mit ihren Zollkontrollen begonnen. Betroffene sind empört, die Zöllner beschwichtigen: Sie würden nicht mehr als drei Stunden täglich kontrollieren.
ELLUND/FRØSLEV taz | Es ist der Tag einer schweren Niederlage für Erik Boel und sein Anliegen: ein grenzenloses Europa. Doch der Vorsitzende der "Dänischen Europabewegung" ist am Dienstag an den Grenzübergang bei Flensburg gekommen, um weiter zu kämpfen - trotz beginnender neuer Kontrollen. Zuerst verschenkt er Zitronenbiskuits an dänische Zöllner, dann gibt er Stellungnahmen für die zahlreich erschienenen Journalisten. Sie sind voller Sorge. Die Süßigkeiten, sagt er, gelten in Cartoons als liebste Pausen-Süßigkeit von dänischen Polizisten. Er wünscht sich, dass die Beamten Pause machen anstatt zu kontrollieren.
Doch das tun sie nicht am Einführungstag: Zehn dänische Zöllner sind am Dienstagvormittag an die A7 gekommen, um aus dem einreisenden Verkehr ein paar Autos herauszuwinken und zu kontrollieren. Es ist der Auftakt für eine dänische Kontroll-Offensive an all seinen Außengrenzen. 50 zusätzliche Beamte sollen ab Dienstag im Einsatz sein, 48 weitere kommen zum Jahreswechsel dazu. Bis 2014 sollen abgerissene Grenzhäuschen wieder aufgebaut und eine elektronische Überwachung installiert werden. Auch am Übergang Kupfermühle ins dänische Kruså und an den Grenzen nach Schweden stehen heute Zöllner.
Die Europäische Kommission, die Bundesregierung und die schleswig-holsteinische Landesregierung haben den Schritt kritisiert. Zahlreiche andere Politiker und Verbände beklagen das Vorgehen. Ein FDP-Politiker brachte einen Dänemark-Reiseboykott ins Spiel. Hintergrund der Aufregung: Das Schengener Abkommen garantiert offene Grenzen in Europa und verbietet ständige Kontrollen.
Die Zöllner haben eine Spur der Straße gesperrt, Hütchen aufgestellt, Autos und LKW fahren langsam vorbei. Es gibt keinen Stau auf der wenig befahrenden Autobahn. Ein dänischer Beamter winkt die Fahrzeuge durch oder raus zur Kontrolle. Die erste Betroffene an der Autobahn 7 ist eine Niederländerin. Um kurz vor halb elf ist sie dran. Ein Beamter lässt sich den Kofferraum öffnen. Ein Pulk aus Kamerateams und Fotografen dokumentierte das. Die Zöllner finden nichts Illegales. "Willkommen in Dänemark", sagen die Reporter als die Dame abfährt.
Gewitterfliegen sammeln sich auf den Signalwesten der dänischen Zollbeamten. Am Grenzübergang stehen Masten mit Fahnen von Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Island - der dänische ist ein Stück höher. Eine Europa-Flagge weht hier nicht.
Mit den Journalisten reden nur die Zoll-Beamten die schon seit Jahren hier arbeiten. Die neuen wollten nicht, sagt eine Mitarbeiterin der Pressestelle. Einer der spricht ist Carl Andersen. Er ist Abteilungsleiter der Zoll- und Steuerbehörde für Süddänemark. Er sagt, er habe bisher 30 Leute für die Kontrollen in den Häfen, dem Flughafen von Billund von Süddänemark und an den 13 Grenzübergängen auf dem Land gehabt. Heute seien 25 dazu gekommen, zum Jahreswechsel kommen noch mal so viele dazu. "Wir können dann bald auch mal die kleineren Übergänge kontrollieren", sagt Andersen. Permanente Kontrollen seien mit dem Personalstamm auch dann nicht möglich. Bisher kontrollierten sie zwei bis drei Mal die Woche hier. Bald sei es dann möglich jeden Tag bis zu drei Stunden an einem Grenzübergang zu stehen. Kontrolliert werden sollen vor allem Fahrzeuge aus den Niederlanden und Osteuropa.
Viele der ersten Kontrollierten an diesem Tag kommen aus den Niederlanden, aber auch Belgier, Polen, Litauer sind dabei. Genau so ein paar Dänen und Deutsche. Ein belgischer Reisender ist empört über die Kontrollen und sagt in die Mikrofone der dänischen Fernsehteams: "Wenn ihr ein Teil von Europa sein wollt, dann dürft ihr das nicht tun." Dieser Art der Kontrollen seien nicht nett. Der Fahrer eines alten Golfs ärgert sich auch. "Ihr habt echt ein Problem", sagt er zu den Zöllnern als sie ihn begrüßen. Lässt die Kontrolle über sich ergehen und sagt dann: "Wir haben Europa, wir haben Schengen - daran muss man sich halten, finde ich."
Solche Äußerungen hat Europa-Werber Erik Boel befürchtet. „Das Image Dänemark leidet“, sagt er. Das sei ein Problem, wirtschaftlich, aber auch politisch. Schließlich übernehme das Land am 1. Januar die EU-Präsidentschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“