: Verspätete Schulreform?
Senatorin Dinges-Dierig stellt den Zeitplan für ihre Schulreform in Hamburg infrage. Das Zwei-Säulen-Modell könnte um ein Jahr verschoben werden. Entscheidung im Sommer
Das von der CDU gewollte Zwei-Säulen-Modell besteht aus Stadtteilschulen und Gymnasien. Letztere sollen zum Turbo-Abitur nach der 12. Klasse führen. In den Stadtteilschulen gehen alle anderen Formen auf: Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie berufliche und Aufbau-Gymnasien. Nach einer vierjährigen Grundschule für alle SchülerInnen können die Eltern bestimmen, ob ihr Kind auf ein Gymnasium gehen soll, nach der 6. Klasse entscheidet die jeweilige Schule über den Verbleib oder einen Wechsel zu einer anderen Schulform. In der Stadtteilschule gibt es den ersten Bildungsabschluss nach der 9. Klasse, dem mittleren (bisher Mittlere Reife) nach der 10. Klasse. Nach der 12. Klasse ist die Fachhochschulreife erreicht, nach 13 Jahren das Abitur. SMV
Von Sven-Michael Veit
Die Reform verzögert sich voraussichtlich. Sechs Wochen vor der Bürgerschaftswahl musste Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) einräumen, dass die vorgesehenen Änderungen in der Hamburger Schulstruktur wahrscheinlich nicht zum 1. August 2009 umgesetzt werden können. Möglicherweise könne „eine Anpassung des Zeitplanes notwendig sein“, so die Senatorin am Dienstag im Rathaus. Dann würde das so genannte Zwei-Säulen-Modell erst zum Beginn des Schuljahres 2010 / 2011 eingeführt werden können.
Diese Entscheidung solle im Sommer fallen, kündigte Dinges-Dierig an. Nach einer mehrmonatigen Sondierungsphase werde sich dann zeigen, „ob der Termin 1. 8. 2009 realistisch erfüllt werden kann“. Dieser Zeitpunkt, den die Enquete-Kommission für eine neue Schulstruktur im vorigen Jahr empfohlen hatte, sei jedoch „ein anspruchsvolles Ziel“. Es werde zwar „weiter angestrebt“, betonte die Senatorin, es sei allerdings nicht sicher, dass es zu erreichen sei.
Mit der geplanten Struktur aus Gymnasien und Stadtteilschulen will die Behörde die „Zersplitterung des Hamburger Schulwesens“ verringern. Zum 1. März soll nach Angaben von Dinges-Dierig die Vorbereitungsphase eingeläutet werden. In vier Monaten bis zum Sommer sollen sich dann in einer „regionalen Phase“ Sondierungsrunden von Schulen und regionale Bildungskonferenzen mit der neuen Schulstruktur befassen, bevor die Entscheidung über den Starttermin fällt.
Spätestens im November dieses Jahres bräuchten Eltern „Sicherheit und Orientierung“, so Dinges-Dierig, für die Anmeldungen zum August 2009. Zudem müssten auch die Schulen „konkrete Perspektiven für ihre Arbeit“ haben, gestand die Senatorin zu. Dass sie zum jetzigen Zeitpunkt ihren Sachstandsbericht vorlegte, hat noch einen weiteren Grund: Im kommenden Monat beginnt die Anmelderunde für weiterführende Schulen zum Sommer, da wüssten Eltern wie Schulen gern, woran sie in absehbarer Zeit sein werden.
Die Schulbehörde gehe „planlos in die Zukunft“, kritisierten am Dienstag die Grünen. „Nix Genaues weiß sie nicht“, spottete die GAL-Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch über Dinges-Dierig. Weder die Zahl der Lehrerstellen noch die Größe der Klassen und Schulen oder die Organisation des Unterrichts in der geplanten Stadtteilschule seien bekannt. „Mit solch vagen Planungen eine Jahrhundertreform umzusetzen, ist irreal und verantwortungslos“, kommentierte Goetsch, die in einer eventuellen rot-grünen Koalition Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin werden würde.
Zudem bemängelt Goetsch, dass im Sachstandsbericht der Behörde von den Gymnasien keine Rede ist. An deren „Weiterentwicklung wird unabhängig von diesem Prozess gearbeitet“, heißt es dort lediglich. Warum und wie und in welchem Zeitraum die Gymnasien sich verändern sollen, darüber vermisst die grüne Schulexpertin jegliche Auskunft. Deutlich werde lediglich, dass diese „die harte Nummer“ spielen sollen – mit großen Klassen, 34 Stunden Unterricht und ohne Förderung für die SchülerInnen. „Wer die Fähigkeit zu verantwortlichem und selbständigem Lernen nicht mitbringt, hat für die CDU dort nichts zu suchen“, interpretiert Goetsch diese Vorgaben.
Das Ausklammern der Gymnasien rügt auch SPD-Schulpolitiker Wilfried Buss: „Alle Schulen tragen eine Verantwortung für die regionale Schulentwicklung, auch Gymnasien. Deshalb müssen sie natürlich an den Bildungskonferenzen teilnehmen“, fordert er. Der jetzt vorgelegte Zeitplan belege, so Buss, „dass Dinges-Dierig die Vorbereitung komplett verschlafen“ habe.
Und seine Fraktionskollegin Britta Ernst, im Kompetenzteam von Bürgermeisterkandidat Michael Naumann zuständig für Bildung, befindet kurz und vernichtend: „Das ist kein offener und transparenter Prozess.“