: Verpackungen und Coca-Cola
betr.: „Chinas McKinsey in Afrika“, taz Magazin vom 12. 4. 08
Herr Wang war also in Afrika, Geschäfte anbahnen; Georg Blume durfte mit und lässt uns jetzt an seinen Erkenntnissen über den Segen durch marktwirtschaftliche Direktinvestitionen teilhaben. Mal sehen, ob ich das richtig interpretiere.
Der tansanische Unternehmer hat den Regierungsvertreter gleich dabei, der Kreditgarantien für ein Privatgeschäft mit 100.000 Hektar Reisland gibt, falls mindestens 50 Prozent davon exportiert werden. Warum der Druck zum Exportieren? Brauchen die Tansanier nichts zu essen? Der Export gewährleistet Staatseinnahmen aus dem Geschäft, Geld für die begehrten Beamtenjobs. Eine moderne, indirekte Form der Korruption.
Herr Wang lernt die schmackhaften tansanischen Cashewnüsse zu schätzen, die allerdings in unscheinbarer Verpackung stecken. „Erstklassiges Produkt, zweitklassige Verpackung, drittklassiger Preis“, sagt Herr Wang, wie früher in China. Dann hat man gelernt, dass sich bessere Geschäfte machen lassen, wenn man das Verhältnis umkehrt. Mit guter Verpackung ist das Produkt selbst nicht mehr so wichtig, der Preis wird über die aufwändige Vermarktung realisiert. Die Tansanier werden lernen müssen, dass Cashewnüsse lecker sind, weil’s draufsteht. Natürlich sind sie dann auch teurer und leider nur noch für Menschen in Übersee erschwinglich.
„Money, Money“, sagen die tansanischen Textilarbeiter; sie wollen besser bezahlt werden. Ein Kollege meint, dass ohne neue Investoren bald weder Arbeit noch Geld zu kriegen ist. Darum ist Herr Wang hier. Er filmt die veralteten Maschinen der Fabrik. „Die chinesischen Textilunternehmer sollen sehen, wie leicht es wäre, in Afrika die Konkurrenz zu überholen.“ Mit anderen Worten, moderne Textilfabriken mit einem hohen Grad an Automation und geringem Bedarf an Arbeitskräften werden die veralteten Fabriken und die in ihr Beschäftigten verdrängen. Also sind es gerade die Investoren, die Arbeitslosigkeit und Armut im Gepäck haben.
Georg Blume vermisst die Produktwerbung ausländischer Konzerne in den Straßen Ruandas. Selbst Coca-Cola-Plakate gebe es kaum. Das gefärbte Zuckergetränk ist weder ein Produkt des Grundbedarfs wie Nahrung, Kleidung, Werkzeuge oder Baumaterialien, noch schafft seine örtliche Produktion eine nennenswerte Zahl an Arbeitsplätzen, außer in der ausländischen Investitionsgüter-Industrie. Wer es schafft, armen Menschen für ihr bisschen Geld Coca-Cola anzudrehen, hat wohl die mentalen Voraussetzungen geschaffen, um ihnen den Raubbau an menschlichen und natürlichen Ressourcen als wirtschaftliche Hilfe zu verkaufen. Insofern hat Blume wohl recht, Coca-Cola-Werbung als einen Indikator dafür aufzufassen, dass das Feld für Direktinvestitionen bestellt ist.
Herr Wang kauft auf dem Markt in Nairobi einen afrikanischen Stoff, bevor er zurück ins Reich der Mitte fliegt. Afrikanische Textilien werden nur noch für Touristen produziert, sonst kommt schon alles aus China oder aus Hilfslieferungen der westlichen Welt. Der Preis des Stoffes berechnet sich nicht nach dem Wert der Arbeitskraft, die darin steckt, sondern: Der Wert der Arbeitskraft wird durch den Preis des Stoffes diktiert, den er am Markt erzielen kann. Und dort herrscht Herr Wang: einen Hunger-Preis für den Stoff oder eben gar nichts. Herr Wang hat seine Lektion gelernt und wo er hinkommt, verbreitet er sie: Die globale Marktwirtschaft wächst auf dem Humus dessen, was sie zerstört. IMMA HARMS, Reichenow