Vermuteter Fahrradklau: Erfahrungs-Werte
■ Niemals zwei Fahrräder schieben!
Haben Sie schon einmal zwei Fahrräder gleichzeitig geschoben? Vielleicht, weil das eine einen Platten hatte? Das ist gar nicht so leicht. Wenn das noch rollende Rad einen Gepäckträger hat, kann man die Pedale des Fahrrads mit marodem Hinterreifen auflegen. Das Vorderrad kann in den Lenker geklemmt werden, auch wenn die Speichen darunter etwas leiden. Besonders wendig ist man dann nicht mehr. Aber es funktioniert.
Interessant sind die Blicke, die man sich einfängt. Mitleidsvoll und gönnerhaft die einen. Spöttisch die anderen. Die meisten aber: mißtrauisch. Schließlich braucht man eigentlich nur ein Fahrrad.
Mit Gefallen ist das so eine Sache. Ein ziemlich großer Gefallen ist, ein kaputtes Fahrrad vom Sielwall zu bester Abendzeit durch das Viertel zu transportieren. Wenn man die Blicke hebt, sieht man überall das Mißtrauen. Und senkt den Blick. Oder lächelt debil. Was die Sache nur verschlimmert.
Angesprochen wird man nicht. Obwohl man sich rechtfertigen möchte. Zwei Kneipengänger schauen und tuscheln. Eine gelangweilte Frau nagelt ihren Blick auf die Fahrräder und dann voll ins Gesicht des Transporteurs. Und läßt das unlenkbare Ungetüm passieren.
An der Humboldtstraße kommt ein Streifenwagen aus entgegengesetzter Richtung. Man schaut offensiv. Und senkt den Blick. Niemals den Blick senken! Wer dann noch abrupt in eine ruhige Seitenstraße abbiegt, darf sich nicht wundern.
Logisch: Der Streifenwagen kommt zurück. Ein Beamter springt heraus und macht überraschend schnell drei vier Schritte. Grinst nicht. Der Transporteur schon. Debil. Zu debil.
„Ich habe mich schon gewundert, daß mich niemand anspricht.“
„Wem gehört das Fahrrad?“
„Meiner Freudin.“
„Glaub ich nicht.“
„Ich wohne in dem Haus da.“
„Das glaube ich. Das mit dem Fahrrad nicht.“
„Ich könnte die Schlösser aufschliessen ...?“
„Na, das würde ich schon gerne sehen.“
Klack.Klack. Die Miene des Beamten hellt sich auf. Das debile Lächeln des Transporteurs kehrt zurück. „Dann glaube ich das halt mal.“
Kennen Sie dieses Gefühl? Genau wie wenn man einen Laden verläßt, ohne etwas gekauft zu haben.
„Wir sind nämlich mal schwer verarscht worden“, schiebt der Beamte hinterher. “Da hat ein Zeitungsschreiber von der BILD ein Fahrrad Huckepack genommen. Ist an ein paar Kollegen vorbeistolziert. Ein anderer hat Fotos gemacht. Und wir sind nicht eingeschritten. Gab Riesenärger. Seitdem schauen wir genauer hin.“ cd
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