Verleger in Bremen: Hurra, wir haben die Redaktion verkauft
Verleger beschwören gern die Bedeutung der Tageszeitung für die Demokratie - und lagern derweil ihre Journalisten aus. Manchmal gleich zu PR-Agenturen.
In Sonntagsreden beschwören Verleger gerne ihre Bedeutung als "vierte Gewalt" im Staate. Kein Satz ist zu hochtrabend, um sich selbst zur Verfassungsinstanz hochzujazzen: "Zeitungen stellen die Instanz dar, die informiert und aufklärt, somit eine Wächterfunktion jenseits der Säulen Legislative, Exekutive und Judikative ausübt und dadurch zur Stabilisierung und Entwicklung unserer Staatsform beiträgt." - Um die Bedeutung seiner Zeitungen zu beschwören, lässt auch Ulrich Hackmack, Vorstandschef der "Bremer Tageszeitungen AG" (Bretag), bei der Weser-Kurier und Bremer Nachrichten erscheinen, gerne das ganz große Orchester aufspielen.
Doch auch der Nachricht, soeben die dritte Lokalredaktion ausgegliedert zu haben, gewinnt man Positives ab: "Weser-Kurier übergibt Redaktionen in Brinkum und Syke an Pressedienst Nord", trompetete vor kurzem eine Sonderbeilage. Und meinte schlicht: Hurra, wir haben die Redaktion verkauft!
Transparenz mangelhaft
Das Stück "Ich gliedere meine Redaktion aus", das die Bretag seit 2006 aufführt, hat bei deutschen Verlagen das Zeug zum Kassenschlager: Der Dortmunder Verleger Lambert Lensing-Wolff (Ruhr Nachrichten) setzte Anfang dieses Jahres die Redaktion seiner Münsterschen Zeitung an die Luft - und ersetzte sie durch nicht nach Tarif entlohnte Nachfolger. Erstmals praktiziert wurde diese Sparvariante Ende der Neunzigerjahre bei der Koblenzer Rhein-Zeitung. Seitdem gibt es beim redaktionellen Outsourcing viele Variationen und eine Gemeinsamkeit: Berichtet wird, wenn überhaupt, von überregionalen Medien.
Die direkt betroffenen Leser erfahren in der Regel nie, was sich da hinter den Kulissen ihrer Regionalzeitung tut. Und die lokale Konkurrenz schweigt in der Regel über Vorgänge beim Nachbarn - und bei sich selbst erst recht. Eine Krähe hackt der anderen eben kein Auge aus: So berichten Redakteure, dass Verlagsleitungen sie angewiesen hätten, nicht mehr über mediale Leiharbeit zu berichten oder Meldungen über Proteste bei anderen Verlage zu unterschlagen.
Entsprechend leise ging auch eine andere Ausgliederung in der Nähe von Bremen über die Bühne: In Delmenhorst kann man über ein Zeitungshaus staunen, das ganz ohne Redaktion auskommt. Das Delmenhorster Kreisblatt bezieht seinen überregionalen Teil seit je von anderen Blättern. Für die Lokalseiten aber hatte das Kreisblatt vor zwei Jahren eine ganz besondere Tochter in die Welt gesetzt: Die PR-Firma "Rieck 24 News-Service". Deren Motto: "Wir bieten Unternehmenskommunikation nach Maß", man rühmt sich "allerbester Beziehungen zu den Medien im Nordwesten". Kein Wunder - schließlich produziert man neben PR ja den Lokalteil des Delmenhorster Kreisblatts mit. Und Kreisblatt-Chefredakteur Ralf Freitag ist in Personalunion Geschäftführer bei Rieck. Da kann die PR-Website (www.rieck-24.de) also wahrheitsgemäß mit dem "dichten Netz von Kontakten" werben: "Sozusagen auf Augenhöhe, von Chefredakteur zu Chefredakteur."
In Delmenhorst hatte auch die Bretag 2006 mit ihrem Outsourcing-Programm begonnen: Die Redaktion des dortigen Lokalteils ging in der"Pressedienst Nord GmbH" auf, die heute schon drei der acht Lokalausgaben von Weser-Kurier bzw. Bremer Nachrichten liefert. Bretag-Verleger Hackmack beschwört derweil weiter den Wert der Zeitung an sich: Sie fördere den Gemeinsinn, "und das ist der Stoff, der unsere Gesellschaft zusammenhält", schreib der Verleger in seinem Grußwort zur jüngsten feierlichen Ausgliederung in Brinkum und Syke. Ziemlich verlassen wirken daneben die Ex-Lokalredakteure, die ihren Lesern in der Sonderbeilage ein letztes Mal als verdatterte Jubelauguste im Gruppenbild erscheinen. Eine Seite vorher lachen ihre jungen Nachfolger in die Kamera. Lokalaufmacher der ersten Woche mit der neuen Mannschaft: "Das Sams kommt nach Sudweyhe", "Syke, du liebliche Waldstadt" plus Urlaubstipps örtlicher Reisebüros, Motto: "Nichts wie weg aus dem Nieselregen".
Renditegeile Verleger
"Bigotterie ist in Verlegerkreisen weit verbreitet", sagt Horst Röper, Chef des Dortmunder Formatt-Instituts, das sich seit langem mit den Entwicklungen auf dem Zeitungsmarkt beschäftigt. "Verleger entwickelten sich in den letzten Jahren immer mehr zu Kaufleuten." Die Rendite bewege sich mit durchschnittlich rund 20 Prozent immer noch in "traumhaften Gefilden". Doch der Appetit sei eben noch ein bisschen größer. Ob die neuen Spar-Redaktionen im Bremer Umland ein Resultat echter Not sind oder nur die Rendite sichern sollen, bleibt allerdings unklar.
Die Gewerkschaften haben immer wieder vergeblich versucht, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der von den Verlegerfamilien Hackmack und Meyer kontrollierten Bretag zu bekommen. Doch der Vorzeigedemokrat Hackmack und seine Führungsriege schätzen Transparenz in eigener Sache weniger. Auf schriftliche Anfragen reagiert der Bremer Verleger schon gar nicht. Ebenso wenig sein Delmenhorster Pendant Frank Dallmann: Auch der möchte sich nicht dazu äußern, wie eine PR-Firma glaubwürdig Zeitung machen kann. Allerdings singt Dallmann anders als Hackmack auch nicht dauernd das Hohelied auf Verfassung und Verlage. Er hat ein weit pragmatischeres Verhältnis zu seinem Gewerbe: "Unserer publizistischen Verantwortung bewusst, werden auch bei der Erstellung des Delmenhorster Kreisblattes modernste Produktionsverfahren und Techniken eingesetzt", schrieb er im Sommer anlässlich eines Firmenjubiläums. Inhaltliche Fragen beschäftigen ihn offenbar schon gar nicht mehr.
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