Verlag macht Selbstzensur: Angst vor Islamisten-Angriffen
In vorauseilendem Gehorsam hat ein Verlag einen Ehrenmord-Krimi zurückgezogen. Die Autorin sollte die Passage "Schiebt euch euren Koran doch …" streichen, lehnte dies jedoch strikt ab.
Es ist ein verbissenes Warten auf einen Anschlag, die Atmosphäre angeheizt durch die Ahnung drohender Gefahr. Aus Angst vor Islamisten hat jetzt der Düsseldorfer Droste Verlag den Krimi "Wem Ehre gebührt" zurückgezogen - kurz vor der Drucklegung.
Dabei sei es ein ganz schlichter Kriminalroman, erklärte die Autorin Gabriele Brinkmann - Pseudonym W. W. Domsky - im Deutschlandradio. "Mit Kommissaren, mit Umfeld, mit Tätern. Nur vor dem Hintergrund eines Ehrenmordes." Genau dies ist das Problem.
Verleger Felix Droste habe das Buch von einer Expertin auf "Stellen prüfen lassen, die die Sicherheit meiner Mitarbeiter oder meiner Familie beeinträchtigen könnten", berichtet der Spiegel. Dabei sei ein Textteil am Ende des Buchs als gefährlich eingestuft worden. Daraufhin habe der Verlag sie gebeten, die Passage "Schiebt euch euren Koran doch …" durch "Schiebt euch eure Ehre doch …" zu ersetzen. Dies lehnte die Autorin jedoch strikt ab. Es handele sich um reine Dialogpassagen, "fiktive Figuren sprechen fiktive Dialoge in einer fiktiven Geschichte", so Brinkmann.
Beschwerden gibt es keine
Erst hin, dann her, dann gehtnichtmehr. In einem Akt der Selbstzensur wurde das Buch letztlich einfach aus dem Programm genommen.
Denn Droste vertrete die Meinung: "Spätestens nach den Mohammed-Karikaturen weiß man, dass man Sätze oder Zeichnungen, die den Islam diffamieren, nicht veröffentlichen kann, ohne ein Sicherheitsrisiko einzugehen." Tatsächlich hatte 2006 die Deutsche Oper in Berlin die Inszenierung von Mozarts "Idomeneo" abgesetzt, weil sie ebenfalls Angriffe von Islamisten befürchtete. Damals gab es - genauso wie heute - keine konkrete Bedrohung.
Es geht nicht ums Buch
Brinkmanns Krimi ist vielleicht so unterhaltsam, wie einer Schüssel Frittenfett beim Kaltwerden zuzusehen. Aber die bemerkenswerten Ereignisse zeigen, welche übertriebenen Selbstkontrollen aus Angst ausgeübt werden: Erst kürzlich geriet der Fußballclub Schalke 04 in die Kritik von Islamisten, weil im Vereinslied der Prophet Mohammed verhöhnt werde. Der Text wurde daraufhin von einem Wissenschaftler überprüft und als ungefährlich eingestuft. Manche Fälle wirken noch grotesker: So empfahlen Staatsschützer in Hagen 2003 einer Frau nach Drohungen, ihr Pferd "Mohammed" umzubenennen. Das tat die eingeschüchterte Frau dann und taufte das Tier "Momi". Ohne h, um dem Namen des Propheten möglichst fern zu bleiben.
Für Brinkmann kommt so etwas nicht in Frage. "Was soll das. Wo sind wir hier? Wir sind in einem freiem Land", regt sie sich auf. Was die Autorin jetzt machen will? "Ich warte auf den ersten demokratischen Verleger, der mich anruft und sagt, ich werde nicht im vorauseilendem Gehorsam Bücher einstellen."
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