Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze: Neue Laufzeit von vier Jahren
Lange war die Verlängerung umstritten - nun hat sich das Kabinett geeinigt: Einige Teile der Anti-Terror-Gesetze werden befristet verlängert. Das finden nicht alle gut.
BERLIN rtr/afp | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze beschlossen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassen worden waren. Der Großteil der Regelungen soll für vier weitere Jahre gelten. Nach dem Koalitionskompromiss vom Juni werden einige Befugnisse der Geheimdienste erweitert, während andere Regelungen entfallen. Befristet weiter gelten sollen Regelungen, die sich als sinnvoll erwiesen haben, wie das Bundesjustizministerium mitteilte. Nach der Verlängerung der Gesetze können die Geheimdienste im Fall eines Terrorverdachts auch künftig bei Banken, Kurierdiensten, Fluggesellschaften und Telefonunternehmen Auskünfte einholen. Informationen über Flugpassagiere können die Dienste statt wie bisher bei Luftfahrtunternehmen künftig bei zentralen Buchungssystemen einholen; bei Unternehmen der Finanzbranche können auch Kontostammdaten abgefragt werden.
Ohne eine Verlängerung wären die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschlossenen Anti-Terror-Gesetze zum Jahresende ausgelaufen, weil sie bereits derzeit nur befristet gelten. Auf Drängen von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kommen mit der Verlängerung der Gesetz auch die gesamte Sicherheitsgesetzgebung seit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf den Prüfstand. Eine Regierungskommission soll kritisch beurteilen, inwieweit sich Gesetze und Sicherheitsbehörden seither verändert haben. Das Gremium soll auch untersuchen, ob es überflüssige Doppelstrukturen gibt - dies gilt unter anderem für den Militärgeheimdienst MAD, dessen Auflösung die Justizministerin fordert. Sie sprach von einer "Trendwende in der Innen- und Sicherheitspolitik" nach der kontinuierlichen Ausweitung der Sicherheitsgesetze seit 2001.
Kritik von Datenschützern - Lob von der Polizei
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung zahlreiche neue Sicherheitsmaßnahmen beschlossen. Einige Regelungen waren befristet. Die Bundesregierung beschloss nun eine Verlängerung. Dabei geht es vor allem um Auskünfte, die Nachrichtendienste über mutmaßliche Extremisten und Terroristen verlangen können. Neu ist, dass diese Abfragen über zentrale Stellen erfolgen können und damit erleichtert werden.
FINANZEN: Kreditinstitute und Finanzunternehmen müssen Auskünfte geben über Konten, Konteninhaber, Geldbewegungen und Geldanlagen. Damit soll herausgefunden werden, ob Verdächtige beispielsweise islamistische Terroristen finanziell unterstützen oder ihr Konto leerräumen, um sich auf den Weg ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet machen.
REISEN: Fluggesellschaften sind verpflichtet, Namen, Anschriften und gebuchte Flüge preiszugeben. So wollen die Nachrichtendienste erfahren, wenn Verdächtige Deutschland verlassen oder hier einreisen.
TELEFON UND INTERNET: Anbieter von Telefon- und Internetdiensten müssen Verbindungsdaten und Nutzungsdaten offenlegen. Wer hat wie oft mit wem telefoniert?
HANDY: Hier geht es um technische Mittel ("IMSI-Catcher"), um die Identität und den Standort eines Handys zu erfahren.
AUSLÄNDER: Erfahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Ausländerbehörden etwas über extremistische Bestrebungen, müssen sie von sich aus den Verfassungsschutz informieren.
SICHERHEITSÜBERPRÜFUNGEN: Menschen, die an sicherheitsrelevanten Orten wie Flughäfen oder großen Industrieanlagen arbeiten, müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen. (dpa)
Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar dagegen kritisierte: "Schon zum zweiten Mal nach dem 11. September 2001 sollen die seinerzeit unter Zeitdruck erlassenen Anti-Terror-Gesetze ohne gründliche, unabhängige Prüfung verlängert werden." Außerdem würden die Befugnisse der Geheimdienste noch erweitert, während die wenigen Befugnisse, auf die verzichtet werde, ohnehin kaum oder gar nicht genutzt worden seien.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte die Verlängerung hingegen, mahnte zugleich aber eine rasche Einigung über die Vorratsdatenspeicherung an. Deutschland hinke im europäischen Vergleich immer noch hinterher. "Die Bundesjustizministerin muss endlich den Weg für eine praxistaugliche Vorratsdatenspeicherung frei machen", forderte GdP-Chef Bernhard Witthaut.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung, mit der die Verbindungsdaten von Handy und Internet sechs Monate lang gespeichert wurden, im März 2010 gekippt. Die Verlängerung der Sicherheitsgesetze war lange einer der größten Konflikte in der Koalition. Konkret ging es in dem Streit darum, ob und in welcher Form die im Januar 2012 auslaufenden Anti-Terror-Gesetze verlängert werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund