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Verlängerung der AKW-LaufzeitenUntersuchung nach Plan

Die Deutsche Umwelthilfe wirft der schwarz-gelben Regierung vor, die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke werde nicht neutral geprüft – die Ergebnisse würden längst feststehen.

Die Bundesregierung lässt Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke wie das in fränkischen Grafenrheinfeld prüfen. Bild: dpa

BERLIN taz | In der öffentlichen Kommunikation ist die Sache für Umweltminister Norbert Röttgen klar. "Wir brauchen die Kernenergie nur so lange, bis die erneuerbaren Energien sie verlässlich ersetzen können", sagt der CDU-Politiker bei jeder Gelegenheit. Und wie lange das tatsächlich dauern wird, das lasse die Regierung derzeit in Energieszenarien berechnen, als Grundlage für die künftige Politik. Das Tempo des Atomausstiegs hängt demnach vom Ausbau der erneuerbaren Energien ab.

In der Realität ist es aber offenbar genau umgekehrt: In den Vorgaben für die Energieszenarien, die derzeit von den Instituten Prognos, Ewi und GWS berechnet werden, sind die Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke als fixe Größen vorgegeben - 4, 12, 20 und 28 Jahre werden untersucht. Das Wachstum der Erneuerbaren ist hingegen als variable Größe definiert, die sich als "Ergebnis" der Laufzeitverlängerungen ergibt. Das geht aus einem Papier des Wirtschaftsministeriums hervor, das die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Dienstag öffentlich machte.

Festgelegt wird lediglich, dass das Minimalziel der EU von 18 Prozent erneuerbarer Energie am Endenergieverbrauch bis 2020 erreicht werden soll. Zudem gehe das Vergleichsszenario ohne Laufzeitverlängerung ("Business as usual") davon aus, dass bis 2050 keinerlei zusätzliche Klimaschutz-Anstrengungen unternommen werden.

Mit dieser Art der Berechnung stehe das Ergebnis praktisch schon vorher fest, kritisierte DUH-Geschäftsführer Rainer Baake. "Hinten kann nur rauskommen, was man vorne reingibt." Röttgens Bild von der "Atomkraft als Brückentechnolgie" erweise sich "als reines Gerede zur Vernebelung der tatsächlichen Absichten", so Baake.

Deutschlands größter Windanlagenbauer Enercon erklärte, die Regierung setze "mit ihrer rückwärtsgewandten Strategie ein hohes Zukunftsgut aufs Spiel". Wirtschafts- und Umweltministerium äußerten sich trotz Anfrage nicht zu den Berechnungsmodellen und der Kritik.

Der Industrieverband Deutsches Atomforum sprach sich unterdessen für die von der Regierung als Maximalvariante geprüften 28 Jahre Laufzeitverlängerung aus. Dadurch würden Strompreise sinken und Beschäftigung gesichert, sagte der neue Atomforums-Präsident Ralf Güldner. Noch weiter ging die Nachwuchsorganisation des Verbands: Deren Mitglieder sprachen sich für AKW-Neubauten in Deutschland aus und forderten auf Transparenten "200 Jahre Kernenergie".

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16 Kommentare

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  • K
    Kai

    @Windgeschädigter: Nun, die Menschen in Tschernobil hatten keine Windräder vor der Nase - vielleicht hätten sie das im Rückblick lieber gehabt...

    Das soll nicht heißen, das man nicht auch Windräder sozialverträglich betreiben sollte und könnte. Wird aber sicherlich in den meisten Fällen auch gemacht.

  • W
    Windgeschädigter

    Ihr habt gut reden. Euch hat man diese riesigen Windturbinen ja nicht vor die Nase gebaut. Mir schon. In konkreten Fall übrigens die Franzosen. (östliches Saarland, Berus/Felsberg)

     

    Ich würd euch mal gerne reden hören wenn ihr den ganzen Tag diese riesigen Propeller vor der Nase habt. Die Gegend hier (sanftes, leicht bewaldetes Hügelland) war mal richtig schön. "War mal"

  • D
    Daniel

    Da machen diese Möchtegern-Vertragsbrecher die Rechnung ohne den Wirt? Wie leichtsinnig.

  • V
    vantast

    Für die Geldsäcke wird die Laufzeitverlängerung ein Geldsegen, aber jeder etwas nachdenkliche Mensch weiß, daß er wie auch alles andere mit der Zeit abbaut, morsch wird. Erst recht unter Strahlenbelastung. Französische Kernkraftwerke werden von Wanderarbeitern repariert, die sind billig.

    Die Hauptfrage bleibt: Wohin mit dem Müll?

  • K
    K.O.

    @Björn: Prima Vorschlag!

  • K
    K.O.

    Am Ende gibts in dieser Welt genügend abhängige und verschuldete Staaten die unseren Zivilisationsmüll irgendwo bei sich verbuddeln. Am besten noch in einem Land in dem eh keine demokratische Kontrolle der 'Staatsführung' vorhanden ist. Lasst uns einfach so weiterleben und die Frage nach der Entsorgung des Mülls auf den NIEMAND, der für die Verlängerung der Laufzeiten eintritt, eine Antwort hat. Warum auch durch Ignoranz lösen sich die Probleme immer von selbst! ;P

  • ID
    I DenkSchlächter

    Klar, was denn sonst? Wozu gibt es denn Mietmäuler?

  • SH
    Sascha H.

    Ich habe so langsam die Schnauze voll. Die Menschen sollten viel mehr darüber aufgeklärt werden wie und wo Uran abgebaut wird, damit sie wissen wie Umwelt- und Klimafreundlich die Atomenergie wirklich ist. Die Exporteure sind eben nicht nur vermeintlich "sichere" Staaten wie Kanada, Australien und USA. Es sind vor allem ehemalige Sowjetrepubliken, Russland und eine Hand voll afrikanischer Staaten, die den Weltmarkt bedienen. Und egal wo Uran abgebaut wird, Umwelt und Bergarbeiter nehmen beträchtlichen Schaden.

    Die Bergleute nehmen immense Gesundheitsrisiken in Kauf, weil sie keine andere Möglichkeit haben, ihre Familien zu ernähren.

     

    Den Deustchen muss klar werden, dass jedes Jahr tausende Menschen an TBC, Lungen- und Blutkrebs erkranken und an den Folgen STERBEN, nur damit wir die Butter im Kühlschrank lagern können!

     

    Diejenigen die das leugnen oder kleinreden, sollten sich das von ihnen verursachte Leid ruhig mal vor Ort angucken.

     

    Aber viele wollen diese Wahrheit natürlich gar nicht hören. Hauptsache die neue Plasmaglotze hängt an der Wand und läuft. Wo der Strom dafür herkommt, ist scheiß egal.

  • S
    Sponti

    Das ist alles Kaffeesatzleserei. Die Vorgabe der verschiedenen zu begutachtenden Szenarien ist genauso willkürlich wie es die Laufzeitbegrenzung der AKW auf 32 Jahre schon war. So ist nun mal Politik.

     

    Die Staffelung war ein Zugeständnis an den CDU-Grünen Röttgen und das alte Denken in Betriebsjahren, anstatt den Betreibern für die Betriebsgebehmigung ihrer Altanlagen technische Standards zu setzen und sie selbst entscheiden zu lassen, wann sie ihre Kraftwerke bzgl. der Wirtschaftlichkeit von geforderten Nachrüstungen abschalten werden.

     

    Enercon sollte weniger tönen, als die kontinuierlich abkassierten Subventionen in die Entwicklung von Energiespeichern zu stecken. Es ist nämlich nicht nur der Preis, sondern auch die Verfügbarkeit eines Produkts (hier: Strom), die über seine Konkurrenzfähigkeit entscheiden.

  • G
    Gothic-Lars

    Anstatt mehr in erneuerbare Energiequellen und deren Entwicklung zu investieren (Subventionen für Solaranlagen wurden kürzlich erst gekürzt) und Deutschland so einen technologischen Vorsprung auf einen Zukunftssicheren Markt zu verschaffen, investieren wir lieber mehr in die Kernenergie.

     

    Und von der wirtschaftlichen Aspekten mal ganz abgesehen, könnte ich Nachts auch noch besser schlafen.

  • J
    jonas

    Da dezentrale Systeme gerade auf dem Vormarsch sind, könnten wir doch bei jedem Mitglied des Atom-Forums im Keller eine kleine Deponie für radioaktiven Müll einrichten.

     

    DANN wäre ich auch bereit, die noch länger laufen zu lassen.

  • SB
    Sepp Bauer

    Investitionen in umweltrelevante Projekte bedingen einer strategischen Umweltvertraeglichkeitspruefung.

    In der St UVP sind Projektfolgekosten oder notwendige Ausgleichsmassnahmen, wie z.B. sichere Entsorgung, auf den Produktpreis anzurechnen.

    Der Preis eine AKW produzierten KW Stunde ist klar definiert;

    Die wahren Kosten bezahlen unsere Nachfahren. Aber bitte gleichzeitig auch unsere Renten.

    Wir haben es nicht gewusst.

  • O
    Oskar

    "Noch weiter ging die Nachwuchsorganisation des Verbands: Deren Mitglieder sprachen sich für AKW-Neubauten in Deutschland aus und forderten auf Transparenten "200 Jahre Kernenergie"."

     

    Schade dass das Uranvorkommen kaum so lange reichen wird.:(

    Aber mindestens 50 Jahre wollen wir diese Energieerzugung doch noch nutzen,vor allen dingen nach solchen artikeln.

  • A
    aha

    Auch hier wieder wunderbar angepasstes Geblubber. Der Politiker sagt dies, die Lobby das, die Experten jenes.

    Wo bleibt der Atomausstieg??? War der nicht vertraglich geregelt? Ein Vertrag! Das höchste ökonomisch-juristische Gut wird einfach so überrumpelt und zu Boden gestreckt?

    Wo bleibt der Aufschrei? Statt dessen macht ihr einfach die Diskussion mit und schaut mal was ihr morgen drüber schreiben könnt.

    Ist ja auch ein Milliardengeschäft unsere Natur mit längstlebigen Giften ohne gesundheitlich unbedenklichem Grenzwert zu kontaminieren.

    Da kann man sich schonmal in Rage schwafeln.

    Fühlt man sich denn wohler, wenn man endlich in der bürgerlichen Mitte angekommen ist?

    Hoffentlich wird euer Blättchen von Springer, Bertelsmann oder Murdoch übernommen, damit ihr nicht noch ewig eure armen "Genossen" bescheißen könnt.

  • V
    vic

    Nochmal und immer wieder:

    Ohne Abnehmer für Atomstrom wird es keine Atomkraftwerke mehr geben.

    Und lasst euch nicht länger verarschen, es gibt keine Stromlücke.

    Die BRD hat noch Strom exportiert als die meisten AKWs wegen Störungen mal wieder abgeschaltet waren.

    Wie lange noch wollen wir auf das neue Tschernobyl warten? (in den letzten 6 Jahren ca.1000 gemeldete Störfälle in D) Wie lange noch wollen wir Strahlenmüll anhäufen?

    Ergreift die Initiative und wechselt zu Ökostrom-Anbietern.

  • B
    Björn

    Dieser Atom-Nachwuchsorganisation sollte man den Atommüll der nächsten 200 Jahre in den Garten kippen. Dann können die Herrschaften wunderbar und quasi hautnah beobachten, welche Folgen Laufzeitverlängerungen haben.