Verkehrsprojekte auf dem Prüfstand: Tiefensee lobt Autobahnen
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee erklärt, dass die "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" der Wirtschaft im Osten nützen. Umweltschützer halten manche Projekte allerdings für Flops.
BERLIN taz Zu den beliebtesten Aufgaben eines Verkehrsministers gehört der Umgang mit Band und Schere. Im September darf der amtierende Ressortchef Wolfgang Tiefensee (SPD) wieder zum Werkzeug greifen und öffentlichkeitswirksam das letzte Autobahnteilstück der A 73 von Suhl in Thüringen nach Lichtenfels in Franken freigeben. 2,6 Milliarden Euro hat die insgesamt 222 Kilometer lange Piste gekostet.
Die A 73 ist eines von 17 Verkehrsprojekten Deutsche Einheit (VDE), die kurz nach der deutschen Vereinigung 1991 geplant wurden. Fast 39 Milliarden Euro sind für Straßen, Schienen und Wasserwege vorgesehen. Gut 27 Milliarden Euro wurden bis Ende 2007 ausgegeben. "Ich bin überzeugt, dass das Geld sehr sinnvoll angelegt wurde", zog der Minister am Dienstag in Berlin eine - allerdings umstrittene - Zwischenbilanz.
Mit den VDE sollte der enorme Rückstand der neuen Länder in der Verkehrsinfrastruktur nach der Wende schnell aufgeholt werden. Heute ist erst knapp die Hälfte der Pläne verwirklicht. Bis 2017 sollen alle noch fehlenden Vorhaben fertiggestellt werden. "Wir erkennen schon jetzt die wirtschaftliche Bedeutung für Ostdeutschland", betonte Tiefensee. Der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern boome durch den A-20-Bau. Durch neue Autobahnen rund um Leipzig angelockt, habe der Logistiker DHL den dortigen Flughafen zum Luftkreuz erkoren. Solarfabriken in Sachsen-Anhalt ohne Autobahnanbindung sind für den Minister auch kaum denkbar. Kritik an umweltbelastenden oder überdimensionierten Vorhaben weist Tiefensee zurück.
Dabei gibt es Anlass für Zweifel am sinnvollen Umgang mit den Milliarden. In Vorpommern mag der Fremdenverkehr gut laufen. Die erhofften Industriebetriebe haben sich entlang der A 20 nicht in großer Zahl angesiedelt. "Da wurde den Menschen unheimlich viel versprochen", erinnert sich der Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Werner Reh. Er hält einen Teil der Verkehrsprojekte für Flops. Darunter: die geplante Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Nürnberg und Erfurt, die allein über 5 Milliarden Euro kosten wird. Wenn sie verwirklicht werde, gebe es für alle anderen Gleisvorhaben kein Geld mehr, befürchtet Reh. Und Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom ifo-Institut stellt fest: "Infrastrukturprojekte sind nicht ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Region."
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