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Verkehrspolitik von obenSPD will Radler strafen

Innenbehörde hat schärferen Bußgeldkatalog erarbeitet. Dabei ist die Zahl der verunglückten RadfahrerInnen gesunken.

Auch die Autofahrer sind mal dran: Beamte der Fahrradstaffel schreiben Knöllchen für Falschparker. Bild: dpa

Der Bund und die Länder planen, die Verwarngelder für Radler zu erhöhen, die sich nicht an Verkehrsregeln halten. Einen entsprechenden Vorschlag hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Innenbehörde erarbeitet, wie aus der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Klaus-Peter Hesse hervorgeht.

Nach Einschätzung der Polizei „dürften Verwarngelder in Höhe von zehn Euro ihre Wirkung häufig verfehlen“, heißt es darin. Das Unfallgeschehen hat sich davon unbeeindruckt entwickelt: Die Zahl der verunglückten Radler ist zwischen 2005 und 2010 gesunken.

Bußgelder bis zu 35 Euro gelten bei der Behörde als „Verwarngelder“. Wer einen Radweg in der falschen Richtung befährt, muss bisher 15 Euro bezahlen, verursacht er dadurch einen Unfall sind 30 Euro fällig. Das Radeln in der Fußgängerzone kostet mindestens zehn Euro, ebenso das Fahren mit kaputtem Licht. Bereits jenseits der Kategorie „Verwarngeld“ sind Leute, die dabei erwischt werden, wenn sie über eine rote Ampel fahren: Sie zahlen auf jeden Fall über 35 Euro.

Der federführend von der SPD-geführten Innenbehörde ausgearbeitete Vorschlag zielt darauf, die Mindestbußgelder zu erhöhen. Die Änderungen bewegten sich jedoch „im Rahmen der Verwarngeldobergrenze von 35 Euro“, teilt der Senat mit.

Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) hält die Pläne für verfehlt. Die Politiker setzten auf Strafen statt auf Vorsorge und Aufklärung. Das sei symptomatisch für die Radverkehrspolitik. Die Erfahrung zeige, dass Radfahrer die Regeln umso mehr akzeptierten, je weniger sie Slalom um Schaltkästen fahren, Buckeln im Radweg ausweichen und an Bettelampeln warten müssten. „Verbessert die Radverkehrsinfrastruktur, dann braucht die Fahrradstaffel nicht mehr in Hofeingängen zu lauern, um Leute abzugreifen“, sagt Lau.

Für mehr Kontrollen spricht sich der CDU-Politiker Hesse aus. „Nur so können Regelverstöße geahndet werden“, sagt er. Zwar seien mehr Radler auf den Straßen gut für die Umwelt. Leider steige damit auch die Zahl der Radler, die in Unfälle verwickelt seien. Deshalb müssten „angemessene Regelungen“ gefunden werden.

Hesse verkennt allerdings, dass die Zahl der verunglückten Radler absolut gesunken ist, obwohl sich ihr Anteil am Verkehr vergrößert hat. Wie aus dem „Städtecheck 2011“ des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) hervorgeht, ist die Zahl der verunglückten Radfahrer in den Jahren 2005 bis 2010 mit einer Ausnahme stets gesunken.

Im Mittel ging die Zahl in Hamburg jährlich um 3,63 Prozent zurück – das ist besser als der Durchschnitt aller 43 untersuchten Großstädte von 2,54 Prozent. 2002 bestritten Radler neun Prozent aller Fahrten in Hamburg, 2008 waren es elf Prozent, heute sind es zwölf Prozent.

Auch die Antwort auf Hesses Anfrage liefert keinen Grund dafür, die Verwarngelder zu erhöhen. 2007 haben 70 betrunkene Radler Unfälle verursacht, 2011 waren es 72. Der prozentuale Anteil hat sich leicht erhöht, liegt aber nach wie vor unter dem Radverkehrsanteil. Betrunkene Radler haben auch nicht wesentlich mehr Menschen verletzt als vor ein paar Jahren. Allerdings ist ihr prozentualer Anteil nach 2007 etwas gestiegen.

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11 Kommentare

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  • V
    velophil

    Bewegen sich Radstaffeln der Polizei auch mal im fließenden Verkehr oder lauern sie nur in Hauseingängen? Ich seh sie nur rumstehen oder um die Fußgängerzone kreisen, mehr Realität verkraften sie offenbar nicht.

     

    Würden Sie ihr Fahrrad im fließenden Verkehr (Fahrbahn) benutzen und dort Präsens zeigen, wäre der Verkehrssicherheit mehr gedient, denn auf dem Fahrrad sieht man mehr als im Auto oder in Hauseingängen!!

  • W
    wauz

    Radfahrstadt Oldenburg

     

    Wenn man ein Rad mit einer geschmackvollen und daher auffälligen Rahmenkonstruktion, wird man dezent vorsichtiger, was die Regeln angeht. Wer aber in Oldenburg, so wie ich, als Radfahrer vor roten Ampeln anhält, erlebt Auffahrunfälle. Mir ist drei mal jemand hinten rein gefahren (Radler antürlich!), die nie im Ernst dran gedacht hätten, andere Radfahrer könnten bremsen. (Viele Ollnburcher können es tatsächlich nicht, selbst wen sie wollten...

  • D
    derherrderringel

    @ Wolfgang Banse:

    Ja, die, die sich nicht richtig verhalten.

    Die Frage nach den Ursachen muss aber erlaubt sein. Wenn man die Leute jahrzehntelang mit einseitigen Radwegen auf die "falsche" Seite lenkt, darf man sich nicht wundern, wenn die Geisterfahrer auch noch denken, sie seien im Recht. Viele Einbahnstraßen sind übrigens für den Radverkehr in beiden Richtungen freigegeben, die entsprechende Beschilderung haben die Autofahrer wahrscheinlich schlicht übersehen, weil da ein Fahrrad abgebildet ist.

    Solange nicht einmal Polizisten die Regeln kennen oder verstehen, und an Schulen gelehrt wird, dass Fahrräder im Zweifeltee nicht auf die Straße dürfen, braucht man sich aber nicht über die Narren wundern.

  • R
    Radfahrerin

    Die passende Veranstaltung für alle, die eine menschenfreundliche und umweltschonende Mobilität in Hamburg wollen:

    http://bund-hamburg.bund.net/fileadmin/bundgruppen/bcmslvhamburg/Termine/Einladung_4.9._Revolution_Stadtverkehr.pdf

  • K
    klabautermann

    jawoll! hier muss endlich mal hart durchgegriffen werden!

     

    wo kommen wir denn hin? und wie?

     

    ich fordere helmpflicht für fußgänger, rechtsgehgebot mit bestrafung von unberechenbarem zick-zack-gehen, blinkpflicht bei richtungswechsel und vor allem beleuchtungspflicht - auch tagsüber, vorn und hinten!

    zuwiderhandlungen werden mit gefängnisstrafen nicht unter zwei jahren ohne bewährung geahndet!

     

    schluss mit lustig!

  • V
    velozipistin

    Es gibt übrigens nur noch dort eine Radwegebenutzungspflicht, wo das blaue Zeichen darauf hinweist - ansonsten dürfen Velofahrer_innen auf der Straße fahren - darauf muss hier und woanders auch mal hingewiesen werden!

     

    Denn noch immer werden Radler abgedrängt, angehupt und ausgebremst, weil sie auf der Straße fahren - wer kümmert sich um diese Selbstjustiz ausübenden Verkehrsrambos, die andere Verkehrsteilnehmer_innen gefährden?

     

    In den Fahrschulen wird jedenfalls nicht Akzeptanz und Toleranz gegenüber anderen und schwächeren Verkehrsteilnehmer_innen gelehrt - da fängt es schon mal an.

    Unterstützt wird diese Mentalität durch die Medien, die Polizei und den Politikern im Schulterschluss mit der Wirtschaft!

  • M
    mimi-kri

    CDU-Politiker Hesse:„ Zwar seien mehr Radler auf den Straßen gut für die Umwelt. Leider steige damit auch die Zahl der Radler, die in Unfälle verwickelt seien. Deshalb müssten „angemessene Regelungen“ gefunden werden."

    Was ist das für eine Logik!?

    Weil mehr Radfahrer unterwegs sind, müssen die Strafen erhöht werden? Das ist also eine angemessene Regelung - armes Deutschland!

     

    IM ÜBRIGEN: DIE RADWEGEBENUTZUNGSPFLICHT IST ABGESCHAFFT!!!

    Das wissen wohl hier noch nicht alle - nur wo der blaue Lolli steht müssen Radler auf dem Radweg fahren!

  • TR
    Trotz Rollstuhl umd COPD: Rache

    Die sollen mal lieber Autos aus dem verkehr ziehen. Es ist eine bodenlose imperialistische Frechheit 15 Jahre nach dem ersten Völkermord durch die automobile Klasse - Hurrikan Mitch - immer noch Autos zu erlauben.

    Autos und ihre Lakaien sind der klimakillender Abschaum des Planeten - dasselbe Pack benutzt auch weiterhin völlig ungeniert Flugzeuge und Schiffe - und Massenmörder, die pro Jahr 200 Millionen in die Migration treiben. Nach der Revolution kommen sie hoffentlich vor's Kriegsverbrechertribunal zusammen mit allen anderen Verantwortlichen für's Klimachaos.

  • R
    radler

    Leider hat Hamburg keinerlei tragfähiges Verkehrskonzept. Weder für den Auto- noch für den Fahrradverkehr.

    Die einzige geltende Richtlinie ist, dass der Autoverkehr Vorrang vor allem anderen hat.

    Mit dem Fahrrad über eine Fußgängerampel zu fahren, die soeben auf rot umgesprungen ist kostet inkl. Gebühren ca. 70 Euro. Die besagte Ampel hat eine Grünphase von 6 Sekunden (Fruchtallee/Ecke Doormannsweg)!!! Nicht einmal ein schneller Fußgänger schafft es, in der vorgegebenen Zeit die Straße zu überqueren. Das sagt für mich alles. Dann zwei Polizisten auf Fahrrädern, die hinter Verteilerkästen versteckt auf Opfer lauern, wohl wissend, dass es sich hier aufgrund der ultrakurzen Grünphase richtig lohnt.

    Dann die Radwege, die traditionell zugeparkt oder mit Mülltonnen und Sperrmüll blockiert sind.

    Um Bußgelder zu vermeiden, muß ich hier absteigen und drumherum schieben. Das ist einfach nicht praktikabel, bei der Häufigkeit der Störungen.

    Fußgänger erkennen selten die Radwege, zumal, wenn sie nicht aus Hamburg kommen, und laufen darauf herum.

    Ich schätze mal, das es noch bis 2100 dauert, bis Hamburg ein ähnlich radfahrfreundliches Verkehrskonzept aufweist wie z.B. Kopenhagen heute schon.

    "Deutschland einig Autoland". Man merkt es deutlich.

    Hamburg ist totale Radfahrprovinz.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Auch Radfahrere müssen in die Schranken gewiesen werden

    Radfahrer sind keine Vorbilder,was die Teilnahme am Straßenverkehr anbetrifft.Sie fahren auf Fußwegen,ohne Vordfer-und Rücklicht,fahren die Einbahnstraße verkehrt ect.

    Auch durch Fahrradfahrer kommen Menschen,in diesem Fall Fußgänger zu Schaaden,auch mit Todesfolge

    Radfahrer haben keine Narrenfreiheit und keinen Freibrief und müssen sich wenn sie sich verkehrswidrig verhalten,mit einer Strafverfolgung rechnen.

  • O
    Oldenburger

    Wenn Radfahren keine Lebenseinstellung in Hamburg wäre, sondern das Rad wie in Oldenburg, Münster, Amsterdam, ... ein übliches Verkehrsmittel und keine Cheyenne-Ersatz für bestimmte Menschen wäre, dann wäre es für alle einfacher: Denn ALLE fahren Rad und/oder Auto/Bahn und wissen somit, was der andere macht, denkt und wie er oder sie tickt: Intuitive Empathie.

     

    Und die Falschfahrer oder Rotfahrer oder Rowdies sind dadurch um einiges weniger!