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„Verheerende Wirkung“

■ Bonner Journalisten werfen 'dpa‘-Redakteur in Offenem Brief mangelnde Sorgfaltspflicht im Fall Schröder vor DOKUMENTATION

Sehr geehrter Herr Kuhn, Ihr am 12. 12. 1990 um 13.00 Uhr gesendeter 'dpa‘-Bericht zum Falle Diethelm Schröder hat viele von uns, nicht nur die Unterzeichner/innen, empört. Wegen des starken Interesses — schließlich geht es um einen Kollegen von uns, den die meisten persönlich kennen und der viele Jahre lang Mitglied der Bundespressekonferenz war — wählen wir die Form eines Offenen Briefes und bitten die Nachrichtenagenturen sowie die Zeitschriften der Journalistenverbände um Veröffentlichung[...]

Sie kennen wie wir alle die verheerende Wirkung von Vermutungen, Verdächtigungen und Verleumdungen, die neuerdings aus Quellen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR ausgestreut werden. Es gibt gute Gründe für uns Journalisten, damit vorsichtig umzugehen. Dies muß auch gelten, wenn einer unserer Kollegen betroffen ist.

In Ihrem Bericht vom 12. 12. haben Sie auf handwerklich zweifelhafte Weise und unter Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht zu einer öffentlichen Vorverurteilung von Diethelm Schröder beigetragen, die dem Prinzip der Unschuldsvermutung grob zuwiderläuft. Die von Ihnen angeführten „Quellen“ dürfen unserer Meinung nach als Grundlagen für einen seriösen Bericht nicht in Frage kommen. Unerklärlich ist uns, daß Sie die von Ihnen wiedergegebenen Behauptungen nicht wenigstens beim Betroffenen oder anderswo überprüft haben. Insofern ist an diesem Punkt auch der Ruf der 'dpa‘ berührt[...] Mittlerweile sind Wahrheitsgehalt und Glaubwürdigkeit der von Ihnen verbreiteten Anschuldigungen sogar von öffentlichen Stellen angezweifelt worden.

In dem gegenwärtigen Klima, in dem durch fragwürdige Enthüllungen einzelne Menschen in Verruf gebracht werden können, ist der Appell angebracht, mit derartigen Veröffentlichungen besonders zurückhaltend zu sein[...]

28 Bonner Kolleginnen und Kollegen von 'taz‘ bis 'Welt‘ haben den Offenen Brief am 19. 12. 1990 unterschrieben.

Stellungnahme von Friedrich Kuhn

Zu dem über mich verbreiteten „Offenen Brief“ [...]erkläre ich folgendes:

1. Ich habe auch im Fall des 'Spiegel‘-Redakteurs Diethelm Schröder meine stets geübte und allseits bekannte journalistische Sorgfaltspflicht walten lassen.

2. Aufgrund von mehreren unabhängig voneinander hochkarätigen Quellen habe ich meinen Bericht geschrieben und stehe dazu.

3. Der Bericht berücksichtigt die Einlassung von Herrn Schröder, die er öffentlich abgegeben hat, daß er alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe abstreitet.

4. Ich möchte darauf hinweisen, daß ich nicht als erster den Namen des Kollegen Schröder in der Öffentlichkeit genannt habe.

5. Weiter mach' ich darauf aufmerksam, daß auch in anderen Publikationen [...] (und) im 'Spiegel‘ selber in ähnlicher Weise über den Fall Schröder berichtet wurde [...]

7. In dem Vorgehen der Unterzeichner des „Offenen Briefes“ gegen mich sehe ich den Versuch, mich in der Öffentlichkeit zu diffamieren und herabzuwürdigen [...] Ich behalte mir rechtliche Schritte gegen die Unterzeichner vor. Gez. Friedrich Kuhn

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