Verharmlosende Stasi-Äußerungen: Linken-Fraktion schließt Wegner aus
Nach ihren Äußerungen zur Stasi ist DKP-Politikerin Wegner von der niedersächsischen Linke-Fraktion ausgeschlossen worden. Auch Landeschef Dehm steht in der Kritik.
BERLIN/HANNOVER ap/dpa
Die Linke wird im neuen Niedersächsischen Landtag nur zehn Mitglieder haben - eines weniger, als ihr nach dem Wahlergebnis zustehen. Bei einer Klausurtagung in Göttingen schloss die Fraktion am Montag die umstrittene Abgeordnete Christel Wegner aus. Der Beschluss sei einstimmig erfolgt, sagte Fraktionschefin Tina Flauger zur taz. Wegners Positionen zur Stasi und zur Mauer seien nicht akzeptabel.
Die 60-jährige Wegner, die als Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) über die Liste der Linken in den Landtag gewählt wurde, hatte vergangene Woche in der ARD-Sendung "Panorama" den Bau der Berliner Mauer gerechtfertigt. Zugleich erweckte sie den Eindruck, dass sie für die Wiedereinführung einer Staatssicherheitsbehörde eintrete, um beim Aufbau einer anderen Gesellschaftsform "reaktionäre Kräfte" abzuwehren. Gegenüber der taz (Montagsausgabe) und in einer "persönlichen Erklärung" relativierte Wegner inzwischen ihre Aussagen.
Das zweitägige Fraktionstreffen der Linken findet an einem geheimen Ort statt. Die Debatte um Wegner, die trotz Einladung nicht zu der Sitzung gekommen war, stand ganz oben auf der Tagesordnung. Unabhängig von der Frage des Zusammenschnitts des "Panorama"-Interviews seien ihre dort geäußerten Positionen für die Fraktion "unakzeptabel", sagte Flauger. Einen Sozialismus ohne Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Reisefreiheit dürfe es nie wieder geben. In Berlin begrüßte Linke-Vorstandsmitglied Ulrich Maurer den Ausschluss Wegners. So werde es allen gehen, die sich für die Wiedereinführung der Staatssicherheit nach DDR-Vorbild aussprächen. "Wer unsere Glaubwürdigkeit beschädigt, mit dem bilden wir keine Gemeinschaft in Fraktionen."
Vor der Klausur hatten Fraktion und Landesvorstand der Linken Wegner bereits zur Rückgabe ihres Mandats aufgefordert. Die Abgeordnete sagte zunächst auch zu, über diesen Schritt nachzudenken, entschied sich dann aber gegen einen Mandatsverzicht. In ihrer schriftlichen Stellungnahme erklärte Wegner, sie wolle die Stasi gar nicht zurückhaben. Im dem Interview habe sie vielmehr gesagt, "dass jeder Staat einen Geheimdienst hat und dies natürlich auch für einen sozialistischen Staat gilt". Im Übrigen habe die DKP schon immer die Auflösung der Geheimdienste gefordert. Wegner räumte ein, sie sei "in dieses Gespräch zu arglos hineingegangen". Dies tue ihr leid. "Auch als 60-jährige Kommunistin muss man noch lernen."
Das Interview löste parteiübergreifend heftige Kritik aus. Im Zentrum der Anwürfe stand neben Wegner auch Niedersachsens Linke-Chef Diether Dehm. Denn anders als etwa Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi und Bundeswahlkampfleiter Bodo Ramelow schließt Dehm eine Zusammenarbeit von Linken und DKP weiter nicht grundsätzlich aus. "Es kommt immer auf die Person an, wir sind gegen Dogmatik", sagte er. Wenn sich ein DKP-Mitglied zur Rechtsstaatlichkeit und zum Programm der Linken bekenne, würde "eine Kandidatur bei uns immer geprüft werden". Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte daraufhin Dehms Rücktritt.
Der Ausschluss Wegners aus der Fraktion soll vor allem politisch ein Zeichen setzen. Formal könnte Wegner der Fraktion wohl ohnehin nicht angehören. Nach der bisher gültigen Geschäftsordnung des Landtags dürfen nur Mitglieder einer Partei Fraktionen bilden. DKP-Mitglied Wegner wäre damit fraktionslose Abgeordnete. Die Linke könnte ihr allenfalls einen Gaststatus anbieten. Darüber hatte die Fraktion bis Montagnachmittag noch nicht entschieden. Der neue Landtag kommt am 26. Februar erstmals zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken