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Verhandlungssieg für Zapatistas

■ Sozialprogramme, Landreform: In vielen Punkten setzten sich die Aufständischen durch

Berlin (taz) – Am Mittwoch abend war es soweit: Nach zehn Verhandlungstagen konnten die Delegationen der mexikanischen Regierung und der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee (EZLN) ein Abkommen präsentieren, das zum Frieden in der seit dem 1. Januar so aufrührerischen Region führen soll. Dabei wären die Verhandlungen fast noch gescheitert, denn die politischen Forderungen von nationaler Tragweite, die die Zapatistas auf die Tagesordnung gebracht hatten, schienen keine Einigung zuzulassen. Über den Rücktritt des Präsidenten Salinas etwa mochte Regierungsemissär Manuel Camacho Solis nicht verhandeln. So blieben diese Forderungen ausgeklammert.

Die 34 Punkte aber, die das Abkommen umfaßt, könnten für die indianischen Gemeinschaften nicht nur im mexikanischen Bundesstaat Chiapas von essentieller Bedeutung sein. Die indianischen Gemeinden sollen Selbstverwaltungsrechte bekommen, die Kinder sollen zweisprachigen Unterricht erhalten, die Wasser- und Gesundheitsversorgung wird verbessert, dazu kommen Maßnahmen zur Infrastruktur, eine Justizreform, ein Antidiskriminierungsgesetz und Sozialprogramme.

Einer der wesentlichen Punkte ist die Landreform. 1917 bei der mexikanischen Revolution eingeführt, bestimmte der Artikel 17 der Verfassung die Abschaffung des Großgrundbesitzes und den Schutz des indianischen ejido-Besitzes. Nicht nur, daß ohnehin gerade in Chiapas noch 70 Jahre später ein Großteil der vorgesehenen Landverteilung ausstand – 1992 wurde zudem der Verfassungsartikel reformiert. Der indianische Besitz geriet unter den Druck von Spekulanten und Exporteuren. Die Minimalforderung der Zapatistas war nun, wenigstens die „Gegenreform“ von 1992 rückgängig zu machen. Eigentlich aber wollten sie eine neue gesetzliche Grundlage „im Sinne von 1917“ geschaffen wissen. Da das auch für die Regierung nicht so einfach zu verhandeln war, einigte man sich jetzt zunächst darauf, eine gesonderte Gebietsreform für Chiapas durchzuführen. Über die landesweite Situation wird in den politischen Gremien noch weiter debattiert werden. Die Landfrage dürfte ein Prüfstein für die Einhaltung der Abkommen bleiben.

Auch die Wahlrechtsreform, die die Zapatistas zeitweise als „Essential“ in die Verhandlungen geworfen hatten, ist nicht Gegenstand des Abkommens geworden. Gleichwohl aber kommt die Regierung daran kaum vorbei, denn die Medien und die Oppositionsparteien haben sich – ermutigt durch die rebellischen IndianerInnen – des Themas angenommen.

Noch immer unklar ist, wie das Abkommen eigentlich rechtlich zu bewerten ist. Zwar ist die Rede davon, daß man nach der Abstimmung mit den indianischen Gemeinden einen „formellen Friedensvertrag“ unterzeichnen werde. Doch das ginge nur dann, wenn die Regierung definitiv die EZLN als kriegführende Partei anerkennen würde. Und das hat Unterhändler Camacho Solis zwar de facto getan, nie aber explizit formuliert. Vermutlich also ist das Abkommen zunächst als eine politische Willenserklärung der Regierung zu betrachten – über deren Einlösung noch gewacht werden muß. Seite 9

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