■ Verhandlungserfolg von Mandela und de Klerk: Südafrikas „Inkatha“ Freedom-Party gibt ihren Wahlboykott auf: Werden sich die Todfeinde am Kabinettstisch gegenübersitzen?
Es ist wie eine klassische Tragödie, vierter Akt, zweiter Aufzug: Eine Woche vor den ersten allgemeinen Wahlen in der Geschichte Südafrikas, wo alles schon festzustehen scheint, gerät die gesamte Politik noch einmal ins Rutschen. Inkatha-Führer Buthelezi setzt sich mit Staatschef de Klerk und ANC-Führer Mandela zusammen und vereinbart das Ende seines Wahlboykotts. Ein grandioser Moment in dem Drama des Untergangs von Apartheid-Südafrika.
Sind also Tausende von Menschen umsonst gestorben? War der Wahlboykott Inkathas nur eine List, um im neuen Südafrika möglichst viel Macht für die Zulu- Konservativen herauszuhandeln? War der Ausnahmezustand in Natal, der ja seltsam folgenlos blieb, nur eine Kulisse, um die Provinz vor dem Überschwappen zu bewahren, während die wahren Entscheidungen woanders fielen? Haben Südafrikas Generäle, die schon mit ihrem Aushängeschild Viljoen in einer eigenen Partei zur Wahl antreten, auf ihre Inkatha-Zöglinge eingeredet, um sie die Kunst des politischen Überlebens zu lehren?
Noch viele Jahre werden vergehen, bevor Licht in das nach wie vor undurchdringliche Dunkel der südafrikanischen Politik in dieser konfusen Übergangszeit dringen wird. Das während der abgeschotteten Apartheidära noch kleinkariert-gemütliche politische Südafrika ist im Zuge der Öffnung zu einem unübersichtlichen Hinterzimmerlabyrinth expandiert, in dem sich auch die versiertesten ANC-Strategen nur allzuleicht verlieren können. Wer hier wem folgt, wer wen über den Tisch zieht, wer wessen Hoffnungen zu eigenen Zwecken zu mißbrauchen glaubt und dabei möglicherweise getäuscht wird – es gehört zur Natur dieses Spiels, daß es keiner weiß.
Der späte Zeitpunkt von Buthelezis Wende bietet den einzigen Anhaltspunkt. Lange beharrte Inkatha auf einer Verschiebung der ganzen Wahl. Die wurde aber mit der wachsenden Konfusion der Wahlboykotteure immer unwahrscheinlicher. Erst brach die schwarz-weiße Boykottfront namens „Freiheitsallianz“ auseinander; dann blieb Buthelezi in den folgenden nationalen und internationalen Schlichtungsversuchen verhängnisvoll unbeweglich. Ein Entgegenkommen war nicht mehr möglich. Nun ist der Zug abgefahren. Buthelezi bleibt nichts mehr übrig, als schweren Herzens draufzuspringen.
Aber Probleme bleiben. Ein fairer Wahlgang in Natal ist noch nicht garantiert. Daß Inkatha an den Wahlen teilnimmt, heißt noch nicht, daß ihre Aktivisten ANC-Anhänger in Natal auch wählen lassen. Sicherlich kann Inkatha damit rechnen, auch bei einem enttäuschenden Ergebnis in Natal über die landesweite Fünfprozenthürde zu kommen, die eine Teilnahme an der nächsten südafrikanischen Regierung garantiert, und natürlich ist es besser, wenn die Schlächter in der Regierung sitzen, als wenn sie in ihrer Ecke schmollen. Aber das heißt nicht, daß der Streit um die Zukunft ausgestanden ist. Er wird lediglich in die Regierung hineinverlegt, und nichts spricht dafür, daß eine Regierung mit eingebautem Grunddissens handlungsfähiger sein wird als die ähnlich belasteten Demokratieverhandlungen der letzten Jahre vor dem Auszug Inkathas. Präsident Nelson Mandela muß ab Mai keine Sezessionisten bekämpfen. Es sitzen nur alle seine schärfsten Gegner mit ihm am Kabinettstisch. Schönes neues Südafrika. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen