: Verfrühte Holocaust-Erinnerung
betr.: „Auf dem Schlauch“, taz nrw vom 15.03.06
Das ist das Problem mit der neuzeitigen Kunst: Sie bildet nicht ab, sie will durch provokative „Bilder“ zum Denken anregen! Diese Bilder sind aber oft alles andere als ästhetisch. Ästhetik kann außerdem auf die Dauer einschläfern. Bis heute haben die Gasmorde der Nazis andere Ideologen nicht davon abhalten können, ähnliche Verbrechen an Minderheiten zu begehen. Santiago Sierra legte den Finger in diese Wunde. Dass er mit den hässlichen Giftschläuchen, die zur Synagoge in Puhlheim -Stommeln (NRW) führen, die trauernden Nachkommen des Holocaust schockieren würden, nahm er wohl vorerst in Kauf. Aber was ist wichtiger: das Wachhalten der unvorstellbaren Grausamkeit der Nazis – sie wird schon weltweit banalisiert – oder die verständliche Trauer der Überlebenden und ihrer Nachkommen? Der Protest, der zuerst aus den jüdischen Gemeinden kam, zeigt, dass dieses „harte“ Erinnern Sierras an den Holocaust vielleicht doch etwas zu früh kam. [...] REGINA KLETTKE, Bergheim