: Verfolgte der SED fordern gleiche Rechte wie NS-Opfer
■ TeilnehmerInnen des 2. Bautzen-Forums wollen unverzüglich Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung/ Schnellere Verfahren zugesagt
Bautzen. Die DDR-Justiz soll insgesamt etwa 150.000 Strafurteile gefällt haben. Außerdem seien 27.000 Menschen zwischen 1945 und 1949 durch sowjetische Militärtribunale verurteilt worden. Das erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Reinhard Döhner (CDU), am Wochenende auf dem 2. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung. Über 450 ehemals politisch Verfolgte waren zu der zweitägigen Beratung unter dem Leitsatz zusammengekommen: „Gerechtigkeit den Opfern der kommunistischen Diktatur — Erwartungen an den deutschen Bundestag zur Rehabilitierung und Entschädigung“.
Bisher hätten in den neuen Bundesländern etwa 60.000 Opfer der stalinistischen und kommunistischen Herrschaft Anträge auf Rehabilitierung oder Kassation der Urteile gestellt, sagte Döhner weiter. Er räumte eine noch schleppende Bearbeitung der Anträge ein und versprach eine beschleunigte Verfahrensweise. Neben den bestehenden Rehabilitierungssenaten bei den Bezirksgerichten sollen künftig zweite Instanzen für abgelehnte Fälle eingerichtet werden.
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende, Herta Däubler-Gmelin, kritisierte, die Opfer von Stalinismus und Diktatur hätten noch nicht den angemessenen Rang in der Politik. Die Bundesregierung habe das umfassende Rehabilitierungsgesetz der Volkskammer unzulässig zusammengestrichen. Für den Sommer kündigte sie Gesetzesinitiativen ihrer Partei für die Opfer der Unterdrückung an.
In oftmals starker Erregung schilderten Betroffene erschütternde Einzelschicksale in Bautzen oder anderen Haftanstalten. Nach teilweise jahrelanger Haft unter unmenschlichen Bedingungen verlangten sie schnellste materielle und moralische Entschädigung. Die Zeit dränge, weil zwei Drittel dieser Menschen bereits über 65 Jahre alt seien.
Vom Bundestag forderten die TeilnehmerInnen des Forums, unverzüglich ein Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz zu verabschieden. Die Opfer der kommunistischen Willkür und ihre Hinterbliebenen müßten den NS-Opfern nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gleichgestellt werden, heißt es in der „Bautzener Erklärung“, die zum Abschluß der zweitägigen Beratungen verabschiedet wurde. Die Vertreter der anwesenden neun Häftlingsverbände unterzeichneten das Papier. dpa
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